Wann kommt die naechste Welle?

Dass es in der Schule so etwas wie Pflichtlektuere gibt, verdraengen die meisten Erwachsen irgendwann. Doch sobald sie Kinder bekommen, faellt es ihnen wieder ein. An den Schulen wird das Buecherlesen [immer noch] als Pflicht gehandelt. Vielen Schuelern, und da zaehle ich mich durchaus dazu, gefaellt das nicht. Denn wer liest schon gerne Buecher ueber Sprachwissenschaften wie Viktor Klemperers LTI oder die recht sperrigen Klassiker von Goethe und Schiller? Ein Buch, das an meiner Schule pflichtgemaess jedoch so gut wie alle gerne gelesen haben, ist Morton Rhues >Die Welle<. Bei mir war das anders. Ich hatte in der 10. Klasse nicht das Glueck, das Buch lesen zu muessen. Also las ich es vor kurzem aus eigenem Interesse. Das Buch handelt von einem Experiment an einer Highschool in den USA und basiert auf einer wahren Geschichte, die sich in den 1980-er Jahren ereignet hat. Der Geschichtslehrer Ben Ross zeigt seinen Schuelern einen Film ueber das nationalsozialistische Deutschland. Ergriffen denken die Schueler sowas sei einmalig. Doch Ross beweist ihnen mit Hilfe eines Experiments und der Erschaffung einer Bewegung namens >Die Welle< das Gegenteil. Ross beginnt einen Fuehrerkult um sich herum zu praegen und formt eine neue Art von Schueler. Man sieht, dass die Moeglichkeit eine Diktatur entstehen zu lassen, immer und ueberall vorhanden ist. Es mag eine vage Annahme sein, aber ich denke, dass wir irgendwann wieder unter einer Diktatur leben koennten. Denn sowie sich der Konjunkturzyklus oder der Wechsel der Jahreszeiten vollstreckt, so wiederholt sich auch die Geschichte immer wieder. Was sich aendert, ist allein ihr Gewand. Der naechste Sommer kommt bestimmt. Auch die naechste Diktatur?

4 Kommentare zu “Wann kommt die naechste Welle?

  1. interessante Frage, wobei heute sicherlich darüber gestritten werden dürfte, was unter einer Dikatur zu verstehen ist. Mir scheint ein Diktator ist schnell ausgemacht aber das System der Dikatur? So ist zum Beispiel von der “Marktdiktatur” die Rede oder von der Dikatur der Ökonomie, wie Dirk Kurbjuweit in seinem Buch über McKinsey sagt. Kurbjuweit hat seine Gedanken dazu übrigens auch schon mal in der Berliner Gazette artikuliert:
    http://www.berlinergazette.de/index.php?pagePos=12&id_text=6621&id_language=1&bereich=&aktiv=
    Vielleicht hilft das ja um über Deine Frage nachzudenken. Mein spontaner Eindruck ist: Die Welt ist komplexer geworden und deshalb glaube ich nicht, dass es möglich ist eine Diktatur zu errichten, die sich ALLES unter den Nagel reisst – obwohl einige vielleicht behaupten würden, dass der Krieg und der Kapitalismus als vereintes Herrschaftsgespann sowas zu leisten vermögen. Ich sehe eher eine Vielzahl kleiner und größerer Wellen. Das klingt sehr abstrakt? Schwer vorstellbar? ich glaube in unserer Zeit müssen einfach neue Begriffe und Vorstellungen von Phänomenen entwickeln, die zyklisch wiederkehren mögen.

  2. okay, meine Frage ob eine naechste Diktatur kommt hat sich somit eigentlich eruebrigt. Wir leben bereits in einer “Diktatuhr” wie Magdalena neulich schrieb. Sie sollte jetzt viel eher heissen: Wann kommt die naechste politische Diktatur? Eine Diktatur die dem NS-Regime aehnelt.

  3. Es gibt kritische Beobachter so unterschiedlich wie Lois Weinberger und Peter Sloterdijk, die in den USA einen solchen Zustand zu erkennen glauben, gestritten wird noch über den Status: Wie weit ist das Malheur schon fortgeschritten? Weimerer Republik oder gar schon ein paar Dekaden später. Eine der Grundlagen dieser Diagnosen ist die Erosion des Rechtsstaats (apropos: Guantanamo Bay als Herrschaftsprinzip) und die zunehmende Macht der Rüstungsindustrie auf politischer Ebene. Die USA sind natürlich deshalb Deiner Fragestellung sehr nahe, weil tendenziell mit Deutschland vergleichbar, während Nordkorea per se als ein anderes paar Schuhe gilt.

  4. Ohne jetzt zu ausgreifend werden zu wollen. Ich habe mich auch einmal mit dieser Thematik beschäftigt, vor etwa 18 Jahren. Und geplant, daraus eine “große” Arbeit zu machen. Andersherum. Die Literatur wimmelt von Diktatur-Visionen, von Negativ-Utopien. Die alten, Orwell und Samjatin zum Beispiel. Für mich wäre es eine Frage gewesen, wie sah die Gesellschaft aus, die so werden konnte, wie sie in den Büchern sich manifestiert. Ist so etwas überhaupt möglich.

    Komischerweise, so dünkt es mich, kann man nämlich so wenig zurück wie nach vorne schauen.

    Oder, es fehlte mir einfach die Phantasie.

    (Samjatin (“Wir”) ist besonders interessant. Der Protagonist wird ja irgendwie aus seinem quadratischen Leben durch Musik erweckt (Skriabin). Das meinte für mich, Naturbeherrschung geht eben doch nicht, schon gar nicht so einfach.)

    Heute würde ich sagen, man muss “die” Natur dann schon außerordentlich umbauen, um auch, wenn man so will, das totale Verderben zu wollen. Dann erst könnte die totale Verführbarkeit gelingen und wirklich alle trinken Müller-Milch oder tragen H&M. Oder was weiß ich.

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