TV, beam me up!

Fernsehbilder sind Ikonen des fluechtigen Goetzendienstes unserer Zeit. 25 mal pro Sekunde werden sie als 13 Millionen Punkte auf einem 625-Zeilen-Raster auf- und wieder abgebaut, ein prozessuales und punktuelles Mosaik bewegten Lichts. Die Wirklichkeit, die uns das omnipraesente TV-Bild vermittelt, wird als piktorales Potpourri entworfen, auf dessen Flaeche der hyperaktive Blick des Zuschauers von Punkt zu Punkt wandert und wechselnde Verbindungen und Vernetzungen aufleuchten und wieder verloeschen: die Flaeche wird zur Oberflaeche, das Bild zur Punktmenge.

Die gesendete Realitaet wird zur fluechtigen Bild-Gestalt, Geschichten werden nicht mehr narrativ erzaehlt, sondern zerschlagen, zusammengesetzt und zu Collagen verdichtet. Die Zeitgleichheit der televisionalen Realitaet bezieht sich auch auf die Synchronizitaet von Ereignis und medialer Abbildung: fast ohne Verzoegerung koennen Geschehnisse aus der ganzen Welt zu Nahereignissen im eigenen Wohnzimmer werden, Distanzen schwinden, Raeume werden aufgeloest. Der Zuschauer tastet die Oberflaeche seines Apparates ab und >laedt< die dynamischen Bilder in sein Kurzzeitgedaechtnis, indem er kurzfristig die Signale speichert. >Es ist der letzte Blick, der wieder wie der erste ist, weil er nicht verleugnet, dass, was immer er sammelt Oberflaeche ist, jetzt und jetzt und jetzt und jetzt … .< [R. D. Brinkmann, aus: >Die Lyrik Frank O`Haras<] Durch diese Augenblicks-Wahr- nehmung des Fernsehbildes gehen Raum- und Zeit-Bezug der televisionalen Realitaet verloren: Alles wird vergegenwaertigt, die Vergangenheit als sinnhaftes Kontinuum mit Anfang, Mitte und Ende ist abgeschafft. Nur die Bildstoerung bleibt eine Raum-Zeitinsel mit erkennbaren Ufern. Es stellt sich die Frage, wie lange sich das Aufloesen von Zeit und Raum nur auf unsere Wahrnehmung beschraenkt. Oder koennen wir uns bald auch selbst, wie in einer bekannten Science-Fiction-Serie vorgezaubert, zu dynamischen Lichtpunkten auseinander- und zusammensetzen und so durch Raum und Zeit reisen? Solange Wissenschaft und Technik aber noch an der Umsetzung der Visionen der 60er Jahre arbeiten, bleibt ausgiebiger Fernsehkonsum die geeignetste Vorbereitung auf ein Leben in der Gegenwart der Zukunft ohne Distanz - und ohne Vergangenheit. Den Bilderstuermern bleibt nur der Kurzschluss.

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