Der Abfall der anderen

Es ist Freitagabend, kurz nach acht. Eine gute Freundin und ich packen unsere Ausruestung ein: Zwei Stoffbeutel, zwei Plastiktueten, einen grossen Muellbeutel, Gummihandschuhe, Taschenlampe und einen Rucksack. Guter Dinge und mit leichtem Gepaeck machen wir uns auf den Weg zum Container. Voller Spannung erwarten wir, was wir wohl dieses Mal fuer leckere Sachen finden werden. Am Ort unserer Begierde angekommen, ist es immer wieder ein bisschen wie Weihnachten, denn man weiss nie, was einen erwartet, wenn man die Muelltonne des Bio-Discounters oeffnet.

Die Angestellten, die langsam Feierabend machen, gruessen freundlich und schauen verstohlen zu uns herueber, wie wir die blauen Saecke in der Tonne verschieben, um an die Geschenke zu kommen, die uns die Wegwerfgesellschaft macht. Den Deckel weit nach hinten gedrueckt, steige ich in den Container und tauche ein in eine Welt aus Verpackung, Restmuell, schlechten und, was der entscheidende Punkt ist, hochqualitativen Lebensmitteln! Uns ueberkommt ein wahres Hochgefuehl, als wir unsere komplette Ausruestung mit Aepfeln, Paprika, Tomaten, Erdbeeren, Auberginen, Orangen, Mandarinen, Avocados, Bananen, Zwiebeln, Birnen und Pilzen aus kontrolliert biologischem Anbau bis zum Platzen fuellen koennen.

Wieder zurueck in unserem Verschlag teilen wir die Beute gerecht auf. Immer noch von der Menge an gutem Gemuese und Obst weggespuelt, wird uns klar, in welchem Ueberfluss wir doch leben. Das Ausmass dessen, was an produzierten Lebensmitteln weggeschmissen wird, ist schlichtweg nicht vorstellbar, genauso wenig, dass eine Milliarde Menschen Hunger leiden. In den USA werden 50 Prozent aller produzierten Lebensmittel entsorgt, und jeder Durchschnitts-Europaeer verbraucht das 16-fache von dem, was einem Durchschnitts-Afrikaner zur Verfuegung steht.

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