Als Albert Einstein Ende der zwanziger Jahre ein Sommerhaus in der Naehe von Berlin suchte, fiel seine Wahl auf den kleinen maerkischen Ort Caputh. Hier baute ihm der damals noch unbekannte Architekt Konrad Wachsmann ein Holzhaus, in dem Einstein von 1929 bis zu seiner Emigration im Jahre 1933 glueckliche Sommer verbrachte. In Caputh lebte und arbeitete er, empfing er Gaeste und Freunde, darunter Max Planck und Erwin Schroedinger, Rabindranath Tagore und Heinrich Mann – viele Persoenlichkeiten aus Wissenschaft, Kunst und Politik.
Als das Land Brandenburg 1993 das Einstein Forum in Potsdam gruendete, wollte es an die Tradition anknuepfen, die Einstein repraesentierte. Es sollte ein Ort geschaffen werden, der keine Grenzen kennt: weder zwischen den Disziplinen der Wissenschaften noch zwischen den Nationen. Und das gelang.
Das Einstein Forum versteht sich heute als Laboratorium des Geistes, das Wissenschaftler und Kuenstler aus aller Welt, vor allem auch aus den USA, Israel und den europaeischen Nachbarstaaten, einlaedt um hier gemeinsam mit deutschen Wissenschaftlern und Kuenstlern zu diskutieren. Der Philosoph Jacques Derrida war hier ebenso zu Gast wie der Physiker Stephen Hawking, der Regisseur Peter Greenaway, der Hirnforscher Wolf Singer oder der Chemiker Carl Djerassi, die Literaturwissenschaftlerin Ruth Klueger, der Schriftsteller John Coetzee oder der Musiker Walter Levin.
Was fuer Albert Einstein gilt, der sich nicht nur in physikalische Fachprobleme vertiefte, sondern ebenso gern zur Geige griff oder sich mit den fuehrenden Koepfen seiner Zeit in Diskussionen ueber politische Fragen verwickeln liess, trifft auch fuer das Einstein Forum zu: Hier soll die Bruecke geschlagen werden zwischen den Natur- und den Geisteswissenschaften, hier soll ueber die ethischen Bedingungen und Konsequenzen von Wissenschaft und Gesellschaft nachgedacht werden, hier sollen Kunst und Wissen sich in ungewohnten Formen begegnen koennen.
Wenn pro Jahr in acht bis zehn Tagungen und vielen Einzelvortraegen Experten der unterschiedlichsten Gebiete zusammen kommen, dann herrscht aber immer auch das Gebot absoluter Oeffentlichkeit: Jeder interessierte Zuhoerer ist willkommen wenn z.B. ueber >Formen der Wissensvermittlung< oder >Genetik und Genealogie< diskutiert wird, aber auch ueber Fragen des Gluecks, das Verhaeltnis von Moral und Literatur oder die Politik der Erinnerung in der Demokratie. Kurz gesagt: Das Einstein Forum ist ein Katalysator fuer eben jene interdisziplinaeren und zukunftsweisenden Projekte, die so oft gefordert und doch so selten gefoerdert werden. Wie Einstein schreckt man hier nicht vor neuen und provokanten Denkweisen zurueck. Oder um es mit dem Wahlspruch des Hauses zu sagen: >Wer glaubt, serioese Wissenschaft sei immer langweilig, war noch nicht am Einstein Forum.< So ist das kleine Haus aus dem 18. Jahrhundert, das Teil des liebevoll wieder hergestellten Ensembles am Potsdamer Neuen Markt ist, schnell ueber die Grenzen des Landes bekannt geworden. Geleitet wird dieses Haus von Susan Neiman, einer amerikanischen Philosophin, die in den USA ueber den preussischen Denker Immanuel Kant promovierte und dann viele Jahre an der Universitaet Tel Aviv gelehrt hat, bevor sie vor zwei Jahren nach Potsdam wechselte. Einen Teil vom materiellen Erbe seines Namenspatrons betreut das Einstein Forum indem es dessen ehemaliges Caputher Sommerdomizil verwaltet. Mit der Restaurierung hat man gerade erst begonnen. Den Geist des Nobelpreistraegers haelt das Einstein Forum wach indem es Intellektuelle dazu einlaedt, gemeinsam das zu tun, was der Universalist Einstein noch in einer Person verband: ueber die Grenzen hinweg mit neuen Ideen zu experimentieren.