So, da sitze ich nun im Village Vanguard, laut >New Yorker< >New Yorks most prestigious Jazz-Club<, wie mir das Programm auf dem kleinen runden Tischchen vor mir versichert. Der rote Teppich auf dem Dielenfussboden fuehlt sich weich und irgendwie fluffig unter meinen Fuessen an, waehrend die Lehne meines Holzstuhls das genaue Gegenteil ist und gnadenlos gegen meine, eh schon vom Sightseeing gezeichnete, Wirbelsaeule drueckt. Die Luft ist frisch, oder jedenfalls kalt, und der Geruch, den die 70 Jahre Jazzgeschichte im Village hinterlassen haben, erinnert mich an die Kegelbahnen in den Landgasthoefen, in die mich meine Eltern immer mitnahmen, als ich noch klein war.
Der kleine Jazzkeller fuellt sich allmaehlich mit Leuten. Ueberwiegend junge, viele anscheinend selber professionelle Musiker, wie man den Tischgespraechen entnehmen kann. Das Licht geht aus. Ein Spot faellt auf die Buehne und ein gealterter Billy Hart betritt das Rampenlicht und ruft den Rest seines Quartetts nach vorne. Ethan Iverson, der sich am Fluegel positioniert. Ben Street, der mit einem angedeuteten Wink das Publikum begruesst und zu seinem Bass ueber die Buehne steigt. Alle Blicke in die Dunkelheit gerichtet. Dunkelheit, Glas splittert, Scheppern, ein Tisch kippt um, ein kurzer, unterdrueckter Fluch. Eine gemurmelte Entschuldigung, danach ein kurzes Lachen und ein verschaemt guckender Mark Turner betritt die Buehne. Der laechelnde Gast bekommt ein neues Bier.
Wie man es auch betrachtet, mehr Naehe zur eigenen Fangemeinde kann man sich nicht wuenschen. Allein dafuer lohnt der Trip nach New York, der Spielwiese der Grossen, der Unerreichten, die in ebensolchen Kellern gross wurden. Nostalgie, Avantgarde, Kult und Einzelschicksale. Trotz seit Jahren geltendem striktem Restriktionen bilde ich mir ein, in die Luft mische sich ploetzlich kalter Zigarettenrauch. Das gibt es nur in New York. Nur in New York