Gottesdienst in Harlem: “Ich bin das A und das O”

“Wer Böses tut, der tue weiterhin Böses, und wer unrein ist, der sei weiterhin unrein; aber wer gerecht ist, der übe weiterhin Gerechtigkeit, und wer heilig ist, der sei weiterhin heilig. Siehe, ich komme bald und mein Lohn mit mir, einem jeden zu geben, wie seine Werke sind. Ich bin das A und das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende.” (Offenbarung des Johannes, 22:6) Ein Besuch in einer Kirche in Harlem.

Es gibt nur eine Bibel in unserer Reihe, und die halte ich in der Hand. Der Mann rechts von mir holt sein iPhone aus der Hosentasche und findet die Stelle auf bibelserver.com. Es ist Mittwoch, 19 Uhr, wir sind in der Abissinian Baptist Church in Harlem bei der Mid-Week Manna Messe. Wir sind hier zum ersten Mal, zwei interessierte und sehr weiße strangers.

Alpha und Omega

“Wir leben unter vielen bösen Menschen, die auch böse bleiben werden” – sagt der Prediger, der vor uns steht und dem alle hoffnungsvoll und aufmerksam zuhören. “In dieser Welt gibt es keine Gerechtigkeit: Oft passieren den bösen Menschen gute Sachen, und gute Menschen müssen oft gegen das Böse kämpfen und sind unglücklich. Aber niemand, der an Gott glaubt, bleibt unglücklich, denn Gott ist der Anfang und das Ende, Gott ist unsere Alfa und Omega!”

“Genau!” – schreit jemand hinter mir. “Yeah!” sagt eine Frau vorne. “Denkt daran, liebe Brüder und Schwestern in eurem alltäglichen Leben. Denkt daran in allen guten Situationen, aber auch in den schlimmen und schlimmsten! Denkt an Gott! Gebt nicht auf!”

“Halleluja!” sagt ein alter Mann vorne.

Dann stehen wir alle auf und singen. Wir – zwei Menschen, die sonst nie in die Kirche gehen und die wenig Ahnung haben von der Kriminalität und dem Bösen, gegen das man in Harlem jeden Tag zu kämpfen hat, auch wir singen mit. Der Gospelchor, der jetzt neben dem Prediger steht, besteht aus sechs Frauen und drei Männern, sie singen, tanzen, denken an Gott und geben nicht auf. Wir verabschieden uns mit “go in peace”; unser iPhone-Bibel Nachbar gibt uns einen Handschlag.

Glühbirnen in Harlem

Nach der Messe laufen wir zur U-Bahn, gut 20 Minuten durch die dunklen Straßen im Norden Manhattans. Ich fühle mich so weiß, wie noch nie zuvor, ich bin so weiß, ich könnte leuchten, wie eine Glühbirne. Ein kleines Kind fragt seine Mutter: “Mom, is this man white?” und zeigt auf meinen sehr weißen Begleiter, der neben mir läuft. “Ja” – flüstert die Mutter, und sie gehen weiter.

7 Kommentare zu “Gottesdienst in Harlem: “Ich bin das A und das O”

  1. im ersten Abschnitt fühlt man sich wie in einem Film, den man schon mal gesehen hat, dann zum Schluss wurde ich schon ein wenig überrascht durch die Rede vom Weiss-Sein und vom Glühen, ich weiss noch nicht recht wie ich das zuordnen soll.

  2. Was würde passieren, wenn die Frau auf die Frage des Kindes mit “Nein” geantwortet hätte? Und was würde passieren, wenn alle Mütter ihren Kindern sagen, dass es kein schwarz oder weiß gibt?

  3. interessante Auffassung von Gute und Böse und wie das alles miteinander zusammenhängt — Harlem schould rule the world!

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