Die Frontispiz der DVD verweist auf ein scheinbares Paradox, naemlich die Automatisierung und Rationalisierung weiter Bereiche der allgemeinen Produktion unter dem Diktat der Datenverarbeitung bei gleichzeitiger Produktion der dafuer notwenigen Produktionsmittel, [die auch Konsummittel sein koennen] von Hand. Digitale Handarbeit gibt es ebensowenig wie das digitale Bild, wie Medienprofessoren feststellen, sondern nur digitale Weisen der Verarbeitung von Daten.
Der Output hat die sensuelle materielle Form zu haben oder er ist nicht. Die immaterielle Wirtschaft existiert nur auf dem Display. Aber die Handarbeit ist billiger und das Angebot der billigen Abeitskraefte gross. Die Produktionsweise folgt nicht immer den Moeglichkeiten einer erhoehten Produktivitaet.
Es sieht aus wie elektronisches Stricken von Frauenhaenden auf Platinen fuer den Profit und ist dennoch ein hocharbeitsteiliger, maschineller, das heisst industrieller Vorgang, der – wie der Film zeigt – durchschaubares aber wie wahnsinniges Chaos ist. Herstellung und Recycling von Computern sind hochgradig irre organisiert, die Folgen fuers Oekologische und fuers Oekonomische, so nicht mehr einfach zu trennen, sind fatal. Man sieht die Ueberproduktion und danach einen Berg von Elektronikschrott, Menschen, die unter dem Gesetz der steigenden Produktivkraft und staendig zu erweiternder Maerkte mit Giften schutzlos hantieren. Man sieht den Run auf billige Notebooks und Polizei, die dieses Eigentum schuetzt.
Stricken, Haekeln und Knuepfen galt den Cyberfems als frauliches Ur-Skill des Netzwerkens. Ich erinnere mich an Sadie Plant’s _nullen + einsen_, wo das Weben zum treibenden Faktor des Aufkommens der Computer stilisiert wird. Das massenhaft manufakturelle Sticken unter Lebensgefahr fuer die Arbeiterinnen der untersten aber entscheidenden Ebene der Computerbranche ist die ausgemachte Ausbeutung. Das befindet der Film vor allem in Interviews mit erzaehlenden, reflektierenden Frauen relativ kuehl. Die These aber, welche Pun Ngai vom Chinese Working Woman Network aufstellt, naemlich dass der Markt das Bestimmende fuer die Wandlung der gesellschaftlichen Strukturen und die Installation einer globalen Werkbank in vor allem China sei, ist ein Blick, der sich mit dem NGO-strategischen von WEED deckt.
Der neue Kapitalismus sei ein von alten staatlichen Restriktionen und Kontrollen befreiter und basiere auf Konzernen und globalem Geldkapital. Diese Reform moechte man mit der Tobin Tax und einer koordinierten Gewerkschaftsbewegung re-reformieren.
Ob die miserable Situation der Computer-Handarbeiterinnen am Fliessband, mit den Verbesserungen wie Arbeitsschutzrechten und hoeheren Loehnen, aber nur _eingehegt_ wird, wie Friedrich Engels schreiben wuerde, ihren Status jedoch grundsaetzlich nicht aendert, bliebe offen. Der IG-Metaller, der die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiter in China anmahnt, gehoert moeglicherweise hierzulande zur Kaste des Co-Managements des Profits in Augenhoehe mit dem Kapitalschutz.
Das sogenannte Neo-Liberale und die Repression-Debatte haben aber zwei Seiten. Die Kapitalisierung noch nicht voll kapitalisierter Laender birgt, wie zur Zeit der Kapitalisierung/Industrialisierung Europas, moerderische und emanzipative Momente, u.a. fuer Frauen, die sich aus den laendlich-familiaeren Strukturen befreien. Der Appell an die Macht der Konsumenten, die mit ihrem Einkauf die Preise und so bessere Bedingungen fuer die Proletarier diktieren koennten aber macht die >Fairglobe Bananen< mit Tastaturen und Joystick nicht anders. Sie bleiben Ware, werden fuer die Kaeufer blosz moralisch und fuer ihre Erzeuger immerhin monetaer bessere Ware. Die lebendige Arbeit wird unter das Kapital subsumiert, das stellt der Film klar fest. Doch er macht nicht deutlich genug, dass nicht die Individuen mehr lebendig sind, sondern die Waren des modernen Lebens, welche die Individuen selber bauen und dann auch noch bezahlen, haben ihr Eigenleben zu fuehren. Vorgaenge die weder einer Republik des Volkes noch einem sog. demokratischen Staat entsprechen. Wenn das Kapital dich braucht, kauft es deine Leistung, wenn nicht, musst du die Zone verlassen. Die Lage der Arbeiterinnen in den Sonderwirtschaftszonen ist eher kein Ergebnis der Globalisierung, die wenn dann bereits mit der kolonialistischen Ausbeutung begann, also kein neues weltwirtschaftliches Prinzip ist, und sie ist nicht Resultat einer geheimen Wertschoepfungskette oder das einer Preistreiberei durch die Firmen auf dem IT-Markt, und sie ist auch kein Ergebnis der ungerechten Verteilung der Gewinne, mit den hyperindustriellen Laendern als Gewinner und den Nachzueglerstaaten als Verlierer. Die 12 Stunden Arbeit pro Tag bei Foxconn, in denen Mainboards fuer Intel und Rechner fuer Dell hergestellt werden, gehoeren der Arbeiterin ja nicht mehr, sie hat sie verkaufen muessen und wird damit unter Schmerzen in den Konsum einsteigen koennen. Das von ihr hergestellte Mehrprodukt ist keine reine Ausbeute des globalen Konkurrenzkampfs ueber dem Preis, sondern der Arbeiterin enteignet! Pun Ngai's Frage, ob die Geschichte damit zu den Anfaengen des Kapitalismus zurueckkehre, ist insofern zweischneidig. Wenn man die Ausgabe >Die Industrielle Revolution< des Magazins _GEO Epoche_durchblaettert, wird darin der Manchester-Kapitalismus in seinen toetlichen Auswirkungen auf die damals neuen proletarischen Subjekte und in seinen Oberflaechen von Kauf und Tausch und Finanzkapital gut beschrieben. Die Darstellung der politischen Struktur seiner Profitbildung aber bleibt auf dem Niveau von Charlie Chaplin's _Modern Times_. Zu sehen sind die Kettenwirkungen und die Ketten, um es leicht pathetisch zu sagen, aber nicht die zur Verkettung fuehrenden Verhaeltnisse im Zusammenhang. Die neue Arbeiterklasse in China musste sich bilden/gebildet werden, damit kehrt [so der Vorschlag fuer die andere Sicht der Dinge] nichts geschichtlich neuliberal an Anfaenge zurueck sondern setzt sich auf Basis der Grundsaetze des Kapitalismus fort. Alle Verguenstigungen fuer die Produktiven sind blosze regulatorische Masznahmen auf der sympthomatischen Ebene gegen drohende Kollapse und dazu noch erkaempft von den Betroffenen selbst. Die bluehende Landschaft auf dem Monitor des ThinkPad, ist somit die doppelte Verheiszung: Sie wird da sein, so wie diejenigen aus den kreativen Mittelklassen, die das hier lesen, sie antisolidarisch oder solidarisch antizipieren. [Anm. d. Red.: Der Film kann bei WEED fuer 10 EURO bestellt werden.]
Zur Info: der Originaltitel des Artikels ist “Die Lage der Arbeiterinnen in den IT-Sonderwirtschaftszonen: Der Dokumentarfilm _Digitale Handarbeit_” und ist in der ungekuerzten Vers. erschienen im: n0name newsletter #127 (http://www.n0name.de/news/news127.txt)