Es hat mitunter skurrile Zuege, wenn das, was es schon laenger gibt, auf einmal Mal Trend wird. Etwa die momentane Bio-Welle. Allerorten schiessen Oeko-Unternehmen aus dem Boden, selbst Discounter haben nachhaltige Konsumprodukte und die Gruenen scheinen als Vordenker-Partei ausgedient zu haben, seit sich die etablierten Parteien dem Thema Klimawandel angenommen haben.
Zum 30. Jubilaeum warb die taz daher – nachhaltig – um ihre Leserschaft, unter dem Motto >Thema, nicht Trend<. Ein Plakat der Kampagne verlautete: >Wir waren schon immer gegen AKWS. Super dass das jetzt cool ist.< Was sich dabei aber vor allem zeigt, ist: Umwelt-Themen sind laengst nicht nur Gegenstand naturwissenschaftlicher Beobachtungen, der Klima-Wandel als Oeko & Bio ist Lifestyleprodukt, und damit ein gesellschaftliches, kulturelles Phaenomen. Auch die transmediale ist auf diesen Zug aufgesprungen. Ausgehend von der Bedrohung der Inuit-Kultur durch das zunehmende Schmelzen des arktischen Eises, wurde den Zusammenhaengen von klimatischen Veraenderungen und nationalstaatlichen Grenzen und Handelszonen nachgespuert. Die Fragen wurden in unterschiedlichen Formaten durchdekliniert. Zur Konferenz eingeladen waren Akteure aus unterschiedlichsten Bereichen, um aufzuzeigen, dass die Rede von Umwelt-Szenarien immer auch kulturell-politische und wirtschaftliche Implikationen birgt – das war der durchgaengige argumentative Fokus des Festivals, den das Eingangsstatement des Politikwissenschaftlers Claus Leggewie setzte. Die Boell-Stiftung veranstaltete im >Digital Greenhouse< einen Workshop zu kritischem Konsum, in der Ausstellung wurden multimediale Arbeiten gezeigt, die die Auswirkungen klimatischer Veraenderung auf den Wahrnehmungsapparat zu fassen suchten. Die von Friedrich von Borries und Matthias Boettger von >raumtaktik< entworfene Festivalarchitektur, bestehend aus Muell, Fehl- und Ueberproduktionen sowie Elementen vergangener Ausstellungen, sollte die transmediale als informelles Camp ohne logische Ordnung vorstellen. Richtig neue Thesen zum Klimawandel hat natuerlich auch das Festival nicht aufgestellt, aber deutlich wurde: In unseren, das heisst den westlichen Breitengraden, ist der Klimawandel zuallererst mediales Ereignis. Zum einen heisst das, dass nach der beruechtigten These vom Ende der Geschichte es heuer die Naturkatastrophen sind, ueber die Aufmerksamkeits- oekonomien organisiert werden, wie etwa das im Salon vorgestellte Projekt >Territorial Agency< argumentierte: Nach Ende des Kalten Krieges dient die Rede von klimatischen Katastrophen als Strategie fuer neue Verteilungskaempfe und nationale Hoheitsansprueche. Das von Vera Tollmann kuratierte Programm >I Saw Disaster< praesentierte eine Zusammenstellung von Testimonial-Videos von Timothy Druckrey und Birgit Richard, das sind unzaehlige auf YouTube veroeffentlichte Amateur-Videos von Katastrophen wie dem Wirbelsturm Katrina oder dem Erdbeben in Sichuan. Zum anderen heisst das, dass die klimatische Veraenderung als Medien-Geschehen der unmittelbaren Wahrnehmung entzogen ist. Kaum sicht- oder spuerbar vollziehen sich Veraenderungen globalen Ausmasses, auf die dennoch reagiert werden muss. Das Salon-Programm >The Silent Deep<, kuratiert von Laura Schleussner lenkte den Blick auf bisherige >Zones of Silences< des kollektiven Gewissens, zu Orten hin, die zunehmend zum Spielort westlicher Abhaengigkeit werden. Die Performance >Mortal Electric< untersuchte die Wahrnehmbarkeit zeitlich extrem gedehnter natuerlicher Prozesse, waehrend die akustische Intervention >boom time bust: pop my bubble< hypothetisch das Blasen der Finanz-Blase erfahrbar machen sollte. Auch die fuer den Award nominierte Arbeit >Man With A Movie Camera< von Perry Bard setzte sich mit der Wahrnehmbarkeit von Veraenderungen in der Zeit auseinander, als minutioese Fortsetzung von Dziga Vertovs gleichnamigen Filmwerk von 1929 in der Gegenwart. Die ebenfalls nominierte Arbeit >Post Global Warming Survival Kit< von Petko Dourmana zeigte die Nordsee als postapokalyptische Landschaft, die im Fall eines nuklearen Winters nur mittels Infrarot-Technik sichtbar ist. Ist Bio mehr als Trend, darf man gespannt sein, was Thema des kommenden Festivals sein wird. Aber wer nachhaltig denkt, dem ist aufgegangen, dass eine zweite Krise voraussichtlich ebenfalls Dauer-Thema bleiben wird und lange noch die oeffentliche Aufmerksamkeit in Bann haelt. Vielleicht kann das Festival 2010 zum Beispiel auf ein paar mehr ehrenamtlich helfende Haende vertrauen.