Sunday Falling

>Ich denke, also bin ich.<, die zentrale cartesianische Erkenntnis wird jeden Sonntagnachmittag in den Gruenanlagen Berlins um eine mobile Dimension erweitert. Dann heisst es: >Ich laufe, also denke ich.< Der Zusammenhang zwischen Spazierengehen, Laufen im Allgemeinen, und Denken ist schon in der Antike bekannt: Die Wandelgaenge in der Schule Platons fuehrten zu einem schreitenden Philosophieren, das es erlaubte den Geist in freier Reflexion schweifen zu lassen. Bei Rousseau und spaeter bei Baudelaire werden die Erinnerungssequenzen des Gehenden mit seiner Phantasie und seiner sinnlichen Wahrnehmung der begangenen Orte verbunden.

Das Individuum wird so zum Einzel-Gaenger, der bewusst die Einsamkeit des Gangs sucht. Im Monolog moechte er, von diskursiver Ordnung befreit, seine Sprache finden – eine Sprache fuer die jeweilige Umwelt, fuer Wuensche und Plaene oder sprichwoertlich bewegende Erinnerungen. Und fast jeder laeuft oder geht immer wieder einmal, um seine Gedanken zu sortieren oder der Loesung eines Problems naeher zu kommen. Das Geheimnis des Gedanken-Laufs liegt wohl gerade im Bewegen: Die physische Bewegung mobilisiert auch den Geist und versetzt ihn in erhoehte Bereitschaft neue Wege zu denken – stets schrittweise.

Denn jeglicher Schritt ist ein sich Fallen-Lassen, das vertrauensvoll wieder aufgefangen wird und uns so uns naeher bringt. Wir gehen auf uns ein. Jeder Schritt und jedes Laufen ist damit immer auch ein Weg zu sich selbst. So wie jener Gedanke letzten Sonntag am Kanal: kann mich nicht auf/ halten/ jedes zimmer nimmt mir ziel/ falle fange mich/ im naechsten schritt/ ein wort/ schritt wort/ schrittgedanken gedankengaenge/ mit einem satz von dieser stelle/ laufe/ ohne angst/ mich zu je ueber gehen. Let’s go to the park!

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