Steinalte Pauker

Donnerstag letzter Woche passierte eine Nachricht die massenmedialen Filter: Deutschlands Pauker, so die Botschaft, seien zu alt. Nahezu die Haelfte der an weiterfuehrenden Schulen taetigen Lehrer ist jenseits der fuenfzig. Damit gehoeren sie zu den Zweitaeltesten innerhalb der EU. Nur Italiens Paedagogen sind noch aelter, besagt die Studie >Schluesselzahlen zum Bildungswesen in Europa 2009<, die von Experten des Eurydice-Netzwerks verfasst wurde. Noch schlimmer stellt sich danach die Situation an Deutschlands Grundschulen dar. Hier zaehlen die Lehrer gar zu den aeltesten ueberhaupt.

Das Problem daran sei nicht, erklaerte der zustaendige EU-Bildungskommissar Jan Figel, dass in zehn oder fuenfzehn Jahren alle diese Lehrkraefte in den Ruhestand gingen und die Laender dann mit Lehrkraeftemangel zu kaempfen haetten. Dies werde durch das Absinken der Schuelerzahlen in den kommenden Jahren leicht kompensiert. Viel gravierender sei vielmehr, dass viele Schueler deswegen auf >zeitgemaessen Unterricht< verzichten muessten, weil viele der ueber Fuenfzigjaehrigen mit den >neuen Lehr- und Lernmethoden< nicht vertraut seien und sie folglich auch nicht anwenden wuerden, was verheerende Auswirkungen auf die Qualitaet des Unterrichts habe. Angesichts solcher Aussagen fragt man sich unwillkuerlich, wo diese Herren und Funktionaere all die letzten Jahrzehnte Dienst getan haben. An einer der vielen Schulen, Universitaeten und Lehrerbildungsstaetten jedenfalls koennen sie nicht beschaeftigt gewesen sein. Denn dann wuessten sie, dass all das, was gegenwaertig der Oeffentlichkeit als >modern< und >neuwertig< verkauft wird: Gruppen- und Projektunterricht, individuelle Foerderung und Montessori-Paedagogik, Schuelerorientierung und Team-Building, schon Mitte der Siebziger Jahre Thema und Teil der Lehrerausbildung war. Interessant waere doch eher die umgekehrte Frage, warum all diese angeblich doch so neuen Lehr- und Lernmethoden und -verfahren sich im Laufe der letzten Dekaden nicht an unseren Schulen und Hochschulen durchgesetzt haben und erfolgreich praktiziert worden sind. Warum haben sich Lehrerzentrierung und Frontalunterricht, das Einfordern von Lern- und Leistungstests und das Aufgeben von Hausaufgaben so >gehalten<, wenn all das nichts taugt und das andere doch so viel besser ist? Lag und liegt das nur an der gedanklichen Unbeweglichkeit der betroffenen Lehrer, an der Alterstruktur oder gar an deren Faulheit? Oder erfuellen vielleicht diese didaktischen Wundermittel, die allesamt der Kueche sozial bewegter Reformpaedagogen Anfang des 20. Jahrhunderts entstammen, nicht jene Versprechen, die sie vorgeben zu halten?

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