Herr Kinski

Am Fall der Mauer 1989 war ich nicht beteiligt. Am deutschen Einheitsgehudel habe ich keinen Anteil gehabt und das seit einigen Jahren bestehende neue Deutschland ist mir fremd. Fussballumwogendes Weltmeisterderherzengedoehns, das sich nicht nur auf Balltreter bezieht oder bezog, sondern fuer eine Landesbewohnermentalitaet sprechen will, stoesst mich ab. Warum malen sich die Menschen schwarzrotgold auf die Backen? An jeder Berliner Museumsfahne prangt: ALTES dies und ALTES das. Und dann noch ein neues Schloss in Berlin und eins in Potsdam. Ich verstehe es nicht; es macht mir schlechte Laune.

Lieber denke ich ueber Klaus Kinski nach, ueber dessen Wutausbrueche in Gegenwart dumpfgeistiger Journalisten. In Muenchen, auf dem Hauptbahnhof, wurde er in den neunzehnfuenfziger Jahren angespuckt, als er sich die Haare fuer eine Rolle in Dostojewskis >Der Idiot< lang wachsen liess. Heute ist die alte Schalterhalle leer, ein Durchgangsort, der kaum zum Verweilen einlaedt. Unlaengst werkte ich hier mit Kamera und Stativ, kinskischen Buecher-Darstellungen nachforschend, bis mich nach etwa zwei Minuten die DB-Wachleute verscheuchten. Vielleicht ein lustvolles Uebungsfeld fuer Guerilla-Taktiken. >Ihr seid in einer Situation, in der alle Begriffe verdreht sind.< Ja Herr Kinski. Stadtraum ist kein oeffentlicher Raum. Aber um die Welt fuer schleimige Google-Ads abzulichten, ist die zeitgenoessische Polis offen genug. Freiheit ist die Wahl des Konsumenten, sich das Internet zu erschliessen. Das Vordemokratische ist en vogue, in Berlin klotzt eine architektonische Ekelhaftigkeit neben der naechsten, dem Glamour von Feudalherren nacheifernd. Der preussische Pesthauch. Per Streetview aus der Ferne erlebbar, in der Werbeaufbereitungsanlage. Jedes Individuum katalogisiert. Googletotalitarismus.

2 Kommentare zu “Herr Kinski

  1. .. und hängt wohl von morgends früh bis Abends spät kotzend an jeder zweiten Straßenecke.. . Mein Tipp: Ent – spann – ung! :-)

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