Zu flach und zu hoch

Es ist nicht kategorisierbar, floesst Angst ein, ruft Kopfschuetteln hervor, Ablehnung, wird verdraengt, vergessen, hinterlaesst insofern nur selten ohne Weiteres lesbare Spuren in der Geschichte: das Paradoxe. Zurecht werden Sie fragen: >Aber ist Widerspruechlichkeit nicht das konstitutive Markenzeichen der Wirklichkeit?< Doch geht es hier um etwas anderes. Oder doch zumindest um einen ganz besonderen Fall: Texte, die zugleich als zu flach und als zu hoch wahrgenommen werden. Texte, wie sie im Protokoll-Segment der Berliner Gazette erscheinen.

Neulich wurde der Redaktion einmal mehr >Theorielastigkeit< in einem Interview vorgeworfen, nachdem an anderer Stelle schon mal von >Kopflastigkeit< die Rede war. Angesichts von Protokollen, die persoenliche Erfahrungen wiedergeben, schon ein ziemliches Ding. Genauso kurios jedoch: Die Protokolle werden hier und da auch als zu belanglos empfunden. Der Banalitaetsvorwurf verweist auf ein Zuviel an trivialen Details, auf zuviel Breite und zu wenig Tiefe. Okay, die Kommentatoren haben unterschiedliche Blickwinkel. So unterschiedlich aber wiederum nicht, dass dabei so krass divergierende Ansichten zu Tage treten muessten. Es ist vielmehr ein Problem des Massstabs. Jeder, der kommentiert, muss sich entscheiden. Er/sie weiss: >Ich darf nicht zu hohe, aber auch nicht zu niedrige Ansprueche stellen. James Joyce lese ich mit einer anderen Brille als Mickey Mouse.< Offenbar entziehen sich gewisse Texte einer einfachen Zuordnung. Sie sind noch nicht Literatur, gleichzeitig aber auch schon zu anspruchsvoll. Im Zwischenraum angesiedelt, rufen sie widerspruechliche Reaktionen hervor. Denn: Sie stehen fuer das Paradoxe, das nicht nur all das eingangs Erwaehnte impliziert, sondern auch: das Neue. Ob es sich durchsetzt oder nicht: Im Gegenwartsbewusstsein schlummert der Leser von morgen.

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