www.berlin.diy – Damit aus passiven Nutzern aktive Produzenten werden

Kurator und Berliner Gazette-Autor Andreas Broeckmann ist neuerdings künstlerischer Leiter der transmediale, einem internationalen Medienkunstfestival in Berlin. Er berichtet von finanziellen Herausforderungen, Tauziehen und Do-It-Yourself-Kultur.

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Herbst in Berlin unter neuen Vorzeichen: Ich lebe seit 1987 mit Unterbrechungen (England und Niederlande) in Berlin, zunächst in Neukölln, neuerdings in Treptow, und habe meinen Job beim Rotterdamer Institut für die Instabilen Medien, V2_Organisatie, seit 1995 zum größeren Teil als Teleworker gemacht. Trotzdem kommt’s mir vor wie ein Ortswechsel, dass ich seit Anfang September die künstlerische Leitung der transmediale – internationales medienkunst festival berlin – übernommen habe und deshalb tagtäglich mit dem Rad die Köpenickerstraße runter ins Büro im Podewil fahre.

Neben persönlichen Gründen ist es vor allem die Aussicht, in Berlin eine Plattform für Medienkultur zu bauen, die als Schnittstelle dient zwischen der starken, aber fragmentierten lokalen Szene und dem wachsenden internationalen Netzwerk, an dem wir seit Jahren im Rahmen der niederländischen Virtual Platform, dem European Cultural Backbone, und informellen Zirkeln wie dem Syndicate oder dem Berliner mikro e.V. stricken. Bei einer mikro.lounge im Januar hatten wir über die Entwicklung einer lokalen Infrastruktur für unabhängige Medienkultur gesprochen, die die vorhandene Kräfte koppelt und sich gegenseitig verstärken lässt. Im Idealfall wäre das Festival einer der Knoten oder Katalysatoren in diesem Netz.

Normalerweise hat man ein knappes Jahr, um so ein Festival vorzubereiten. Uns bleiben in diesem Jahr wegen meiner späten Berufung nur fünf Monate, in denen auch noch ein neues Team aufgebaut werden muss und einige politische Überraschungen verdaut werden. Denn Anfang Oktober sickerte aus dem Senat die Information durch, dass im Haushalt des Kultursenators für 2001 die Gelder für die transmediale – immerhin ein Drittel unseres Gesamtbudgets –, wie auch die von vielen anderen freien Projekten nicht mehr vorkommen. Damit begann ein Tauziehen über die Notfinanzierung, das mir freilich immerhin Gelegenheit zu einigen Antrittsbesuchen verschafft hat.

Heute, 31.10., weiß ich noch nicht, ob wir mit Geldern vom Senat rechnen können; deshalb planen wir momentan ein arg gestrafftes Minimalprogramm, das sich um das Thema DIY (do it yourself!) drehen wird. Mit DIY konzentrieren wir uns auf die Möglichkeiten, die digitale Medien heute in zunehmendem Maße bieten, damit aus passiven Nutzern und Konsumenten aktive Produzenten werden. Dieses Prinzip der digitalen Kulturökonomie wirkt sich in Produktion, Präsentation und Distribution aller Sparten aus, und wir wollen zeigen, wie sich gerade im künstlerischen und kulturellen Bereich oft spannende und innovative Ansätze für eine kompetente Medienpraxis entwickeln. Darum haben wir auch den weltweit ersten Preis für „Künstlerische Software“ ausgeschrieben – neben Preisen in den Bereichen Interaktiv und Video.

Ich sehe für eine solche Arbeit nicht nur eine kulturelle Notwendigkeit, also die Einsicht darin, dass sich hier eine Gegenwartskultur herausbildet, für die neue, offensive öffentliche Unterstützungsstrukturen gefunden werden müssen. Es gibt auch eine medienpolitische Notwendigkeit zu verstehen, dass die so genannte Informationsgesellschaft nur dann zu einem tragfähigen Gesellschaftsmodell wird, wenn sie mehr Identifikation bietet als Gewinne auf den neuen Märkten. Deshalb fände ich es persönlich fatal, wenn der Kultursenator es nicht als landeshoheitliche Aufgabe ansehen würde, medienkünstlerische und medienkulturelle Arbeit aktiv zu fördern. Naja, diese Diskussion wird voraussichtlich länger dauern, als wir mit dem Drucken unseres Festivalprogramms warten können. Die Eröffnung am 4. Februar 2001 findet, wenn’s nach mir geht, in festlichem Rahmen statt.

Anm. d. Red.: Das Foto stammt von Malin R. 

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