Work in progress

Als ich heute morgen nach einer stuermischen Nacht entlang der Kueste von Palanga ging, traf ich ein paar Maenner, die nicht nur gingen, sondern den Strand nach etwas absuchten. Ich dachte an die Vagabunden, die ich immer frueh morgens am Bosporus gesehen habe, die aus Versehen verlorene Schaetze von den Leuten suchten, die am Vorabend am Wasser getrunken hatten. Spaeter am Tag habe ich dannn erfahren, dass sie nach Bernsteinstuecken suchten, die das Meer mal geschluckt hat und sie jetzt an die Kueste spuckt. Mein Morgenspaziergang entlang der Kueste, der eine Zeit zum nachdenken und Reflektieren war, wird jetzt von einer Aufgabe gebranntmarkt sein; ich werde nun nach Bernstein Ausschau halten muessen, weil ich weiss, dass welcher da sein koennte.

Das zum Beispiel gibt mir das Gefuehl, dass einige von uns hier im Sommercamp das Touristensyndrom ueberkommt, es erreicht den Raum, der uns umgibt. Wir wollen Herangehensweisen voneinander lernen zu einem Thema von gemeinsamem Interesse, observieren und reflektieren, aber so heruntergezogen von der Schuld des Verlangens nach Erfahrung fangen wir an, Platz zu machen fuer Sinngebendes, fuer Transformierendes, fuer etwas Produziertes zum Lesen, zum mit nach Hause nehmen… So lange wir produzieren und arbeiten sind wir frei von dieser Schuld. Das erinnert mich daran, was Dirk van Weelden in seiner Einleitung zum Show Katalog >On Mobility< schreibt: >Diese klaustrophobische Auffassung von Kunst als notwendiges Uebel, muss soweit wie moeglich ausgegrenzt werden und ist die Figur des Phantoms von Selbstrechtfertigung, auf die ich in On Mobility hier und da einen Blick werfen werde.< Wenn ich nach einem Tag anfange, ueber meine Reflexionen ueber Palanga zu schreiben, wuerden sie aussehen wie Anschlagtafeln aus Plastik, die an den traditionellen Holzhaeusern haengen. Ich wuerde mich auf einen Hintergrund projezieren mit dem ich unvertraut bin. Anstatt nach Aussen zu gehen, gehe ich nach innen und fokussiere mich darauf, was uns alle hierher gebracht hat: warum sind 45 auslaendische und 5 litauische Kulturschaffende im Alter zwischen 20 und 35 im Hotel der vereinten Kuenste in Palanga im August 2009 zusammengekommen? Um Antworten zu finden, hatte ich ein wunderbares Gespraech ueber einem Cappucino im Essensraum mit Marina Sorbello, neben Antje Weitzel eine der Co-Kuratoren des Projekts >Transient Spaces<; ich lege ich es euch dar: >Transient Spaces< ist, wie viele ambitioese transnationale Projekte mit einer Vision, auf eine Weise durch die Erwartungen des Geldgebers gepraegt. Das Projekt steht im Rahmen einer Kulturpolitik, die darauf abzielt, europaeische Kulturraeume zu vernetzen und die kulturelle Mobilitaet in der EU zu erhoehen. Es ist ein multi-Standort Projekt [Berlin, Bukarest, Neapel, Palanga] das aus Forschungsbasen, Produktionsunterstuetzung, Workshops und Ausstellungen besteht. Marina nennt diesen sich zur Ausstellung 2010 ladenden Prozess >konstante Forschung<, wobei mit verschiedenen Formaten experimentiert wird. Mit Transit Spaces wird betont, dass es notwendig ist, ueber die Verbindung von Tourismus und Migration nachzudenken, um die immer mobilere Welt in, in der wir leben, verstehen zu koennen. Cesare Pietroiusti, Krystian Woznicki & Magdelena Taube [Berliner Gazette] und Michal Zinganel waren eingeladen, um den Workshop zu leiten, da sie schon Kulturschaffende sind, die sich mit dem Thema der menschlichen Flexibilitaet in Zusammenhang mit Tourismus bereits befasst haben. Nach dem Vorschlag von Arvydas Zalpys, der Direktorin der Gallerie Meno Parkas in Kaunaus, ist Palanga zum Ort des Workshops geworden. Die Galerie ist einer von vielen Orte der litauischen Kuenstlerverbindung und wurde mit Hilfe von Arvydas Zalpys Vision noch internationaler und zeitgenoessischer. Nach einer Zusammenarbeit von Marina und Antje hat Arvydas das Hotel in Palanga als moeglichen und bezahlbaren Ort fuer den Workshop vorgeschlagen. Zu Sovietzeiten diente das Hotel Kuenstlern im Rahmen eines Unterstuetzungsnetzwerks durch den sozialistischen Staat. Das Grundstueck gehoert noch immer der Verbindung und wurde nach der Unabhaengigkeit renoviert. Das Touristensyndrom-Sommercamp wurde ueber verschiedenste Netzwerke angekuendigt und hat die Leute gebeten, mit einem Motivationsschreiben auf das Angebot zu erwidern. 50 von 180 Bewerbern wurden ausgewaehlt, um eine Gruppe zusammen zu stellen, die sich in Alter, Beruf und Erfahrung unterscheiden, aber am selben Phaenomen interessiert sind: Tourismus. Ich hatte keine Vorstellung, was fuer eine Gruppe daraus entstehen wuerde und fand mich unter Menschen wieder, die einiges von der Welt gesehen haben und eine sehr differenzierte Auffassung von zeitgenoessischen Prozessen haben und diese sogar selber mitgestalten. [Anm. d. Red.: Der Text ist waehrend des Transient Spaces Summercamps entstanden. Die Reihe wird in loser Folge in der Rubrik Reisen fortgesetzt.]

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