Woerterbuch des Krieges

In Staedten wie Heidelberg und Freiburg hat man zuweilen das Gefuehl, die Welt sei ein Paradies. Sicher haben die Leute auch hier Kummer, Sorgen, Noete, doch spueren tut man davon erst einmal nichts – die Staedte praesentieren sich als unerschuetterliches Idyll, und irgendwie ist das ja auch eine Art Lebensmodus. Etwas ganz anderes erlebt man dagegen in Leipzig. Jene >imperfekte Welt< ist hier Teil des taeglichen Lebens und aeussert sich unmittelbar im Stadtbild. Platten zwischen imposanten Haeusern aus der Gruenderzeit, restauriert oder verfallen, verlassene Fabrikgelaende, Sozialwohnungen, durchloecherte Strassen. Man sieht das alles – und die Stadt ist schoen, denn sie ist ehrlich. In einem der vielen kleinen Leipziger Independent-Film-Kinos laeuft derzeit eine Werkschau zu der deutschen Dokumentarfilmerin Helga Reidemeister, die sich in ihrem langen Schaffensprozess immer wieder mit gesellschaftlichen und politischen Problemen auseinandergesetzt hat. Als nach dem 11. September 2001 die Welt in Panik ausbrach, suchte sie ihren eigenen Weg, das Phaenomen >Krieg< zu verstehen. In >Texas Kabul< kommen vier betroffene Frauen aus Indien, Afghanistan, Texas und Serbien zu Wort, die sich auf unterschiedliche Weise mit diesem Thema auseinandersetzen und nach den Ursachen von Macht und Gewalt suchen. Wie die amerikanische Politikerin Sissy Farenthold erzaehlt, dienen Kriege vor allem auch dazu, die bestehenden Machtverhaeltnisse im eigenen Lande zu festigen: Wie gelangt man in die Spitzenpositionen der amerikanischen Politik? Mit >Felderfahrung<. Wie sammelt man >Felderfahrung<? Durch einen neuen Krieg. Diese und andere Absurditaeten rund um das Thema Krieg beschaeftigen auch die Gruender des Projekts >Woerterbuch des Krieges<, das am 25.2.2007 in Karlshorst bei Berlin, dem Ort der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Deutschland, abgeschlossen wurde. Zu vier zweitaegigen Veranstaltungen in Muenchen, Berlin, Graz und Frankfurt kamen Wissenschaftler, Kuenstler, Theoretiker und Aktivisten aus aller Welt zusammen, um 100 Begriffe ins Licht der Oeffentlichkeit zu ruecken. Begriffe, die im Zusammenhang mit >Krieg< umgedeutet oder vernachlaessigt wurden, oder die von den Experten erst neu geschaffen werden mussten. Sprache entpuppt sich dabei als manipulierbares Instrument verschiedenster Interessengruppen und manipuliert rueckwirkend diejenigen, die ihr ausgeliefert sind. >Das Woerterbuch des Krieges soll dem Krieg die Stirn bieten und gleichzeitig zur Desertion aufrufen von einem Krieg der Woerter, in dem Fakten mit einem enormen Aufwand an Kommunikation und Propaganda so hergestellt werden, dass sie anschliessend nicht mehr in Frage gestellt werden koennen.< So die Erklaerung. Die Ergebnisse des Projektes koennen auf der Webseite angeschaut werden, eine Publikation im Merve Verlag ist geplant.

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