Wo beginnt online, wo endet offline?

Die zweite Sitzung des Seminars Medienaktivismus, diesmal zum Thema “Initiativen, die on- und offline Netzwerke verknüpfen”, fand am 17. Mai 2010 bei General Public statt. Drei Arbeitsgruppen haben jeweils 1) künstlerische Praktiken, 2) soziale Perspektiven und 3) publizistische Ansätze diskutiert und im Anschluss den anderen TeilnehmerInnen im Plenum präsentiert.

Nach einem kurzen Abriss zum frühen Netzaktivismus berichtete Clemens Apprich, der selbst Mitglied der “Netzkulturinstitution” Public Netbase war, über das Projekt Nikeplatz.

Künstlerischer Umgang mit “on- und offline”

Dieses Projekt appropriierte im Jahr 2003 auf dem Karlsplatz in Wien im öffentlichen, sowie im virtuellen Raum des Internet, das Branding der Firma Nike.

Die symbolische Inszenierung, die die herrschende semiotische Ordnung der Gesellschaft zu irritieren versuchte, zeigte die Möglichkeiten der Intervention und des künstlerisch-reflektierten Umgangs mit Online- und Offline-Strukturen. Diskussionspunkte wie Virales Marketing, Fake, Copyright-Bruch, ziviler Ungehorsam und Alternativformen des politischen Protests wurden angesprochen.

Barrierefrei durchs Real Life

In der Gruppe “soziale Perspektiven” wurde von Andrea Nienhaus, die den Sozialhelden angehört, das Projekt wheelmap.org vorgestellt. Dort werden durch den kollaborativen Versuch zahlreicher User, Orte und Räumlichkeiten auf ihre allgemeine Zugänglichkeit hin überprüft und danach dementsprechend in der nicht-kommerziellen Google Alternative Open Street Map getaggt.

So entsteht eine detailreiche, nützliche Karte für alle, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind. Andrea nannte nützliche Tools für die Online-Gruppenarbeit wie z.B.: Base Camp oder Drop Box.

Publizieren im Internetzeitalter

In der Auseinandersetzung mit publizistischen Ansätzen wurde dem Vergleich von Online- und Offline-Welt der weitaus größte Platz eingeräumt. Unter diesem Gesichtspunkt wurden die ökonomischen Bedingungen der Medienproduktion, unterschiedliche Rekrutierungssysteme für Autoren und Qualitätskriterien des Journalismus diskutiert. Die Blogger-Szene wurde mit dem allgegenwärtigen Begriff der Prekarität in Verbindung gebracht und mit dem Verkauf eines deutschsprachigen Blogs für rund 47.000 Euro kontrastiert.

Krystian Woznicki, Gründer der Berliner Gazette, sagte: “Vor zehn Jahren hätte man einer Sache, die es “nur” online gibt, die Existenz abgesprochen. Ein vergleichbares Legitimitätsproblem hat heute eine Sache, die es online nicht gibt.” Die Frage was “echt” und was “simuliert” sei, führte zur Feststellung einer Teilnehmerin, dass es keine allgemeingültige Wahrheit mehr gäbe, sondern für jede Person eine jeweils “eigene Wahrheit” gelte.

Anmerkung der Redaktion: Die Fotos zeigen (von oben nach unten) die Seminar-TeilnehmerInnen Chris Piallat und Krystian Woznicki bei der Diskussion und die Seminar-Gruppe in der Nahaufnahme sowie in der Totale. Der Verfasser dieses Berichts hat seine Eindrücke ebenfalls in einem Foto festgehalten.

5 Kommentare zu “Wo beginnt online, wo endet offline?

  1. Die EINE Wahrheit gab es noch nie. Eurozentristisch ausgelegter Journalismus, der im klassischen Sinne DEN objektiven Blick für sich beansprucht, behauptet dies zwar, meine These im Seminar war aber, dass diese imaginierte Objektivität durch GegenÖffentlichkeiten dekonstruiert werden kann. Darüber hinaus denke ich, dass Online-Netzwerke demokratisch(er) als Offline-Netzwerke funktionieren bzw. nicht funktionieren könn(t)en. Die Strukturen der Imaginationen, die sich über Exklusionsmechanismen und Herrschaftsansprüche fortwährend (re-)produzieren, gilt es dabei zu brechen, um eine demokratisierende UNordnung zu schaffen. Von Demokratie kann mensch in der (ordentlich gefakten) Realität ja wohl nicht sprechen. Soviel zu (m)einer Wahrheit.

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