Wie wollen wir in Zukunft zusammenleben? Teil III

“Die Fluesse dieser Welt sind die Adern eines einzigen, grossen Koerpers.” sagte Roberto Esposito am 13.6. in den Sophiensaelen. Entgegen aller Erwartungen eroeffnete der italienische Philosoph seinen Vortrag im Rahmen des internationalen Symposiums MEERGEMEINSCHAFT nicht mit dem Motiv des Meeres, nicht mit Wasser, nicht mit dem Element, das viele Philosophen und Literaten “berauschte”, so wie es auch ihn selbst beeinflusste und inspirierte, wie Krystian Woznicki in seinem einleitenden Grusswort hervorhob. Stattdessen sprach er ueber eine andere Koerperfluessigkeit: Blut. Das Blut einer Leiche, das das gemeinsame Leben in einer communitas [die gegenseitige Fuersorge, das miteinander sein] erst ermoeglichte.

Am Beispiel des Gruendungsmythos von Rom, beschrieb Esposito den Brudermord als ein Schluesselmoment fuer das Entstehen einer Gemeinschaft, die im Moment ihrer Entstehung Gewalt >injiziert< bekam und diese fortan als Kommunikationskanal nutzte. Es wurden Grenzen errichtet, um sich nach aussen hin vor der fremden Gewalt zu schuetzen. Diese Abgrenzung von dem Anderen, dem Fremden, bezeichnet Esposito als Immunisierung. Waehrend der Zeit des Nationalsozialismus erreichte dieser Immunisierungsprozess seinen katastrophalen Hoehepunkt. Die Grenzen dienten nicht laenger dem Schutzbeduerfnis des Lebens, sondern hatten eine Negation und Zerstoerung des Lebens zur Folge. Hat man sich von dieser Logik jemals wirklich befreien koennen? Seitdem in den letzten Jahrzehnten eine globalisierte Welt entstanden ist, die weder ein Aussen, noch ein Innen besitzt, bekommt diese Frage ein neues Gewicht. Es entstehen immer wieder neue Schutzmechanismen, die, und davor warnte Esposito wiederholt, Gewalt hervorbringen, nicht eindaemmen. Der in Neapel ansaessige Denker empfahl, die Metapher des menschlichen Koerpers auf die Welt zu uebertragen: Bei einer Impfung, einer Immunisierung gegen eine Krankheit, wird unserem Koerper ein Teil des Krankheitserregers injiziert. Wie im anschliessenden Gespraech mit dem politischen Philosophen Angelo Bolaffi deutlich wurde, soll die Immunitaet nicht laenger als ein Gegenteil der Gemeinschaft gesehen werden. Stattdessen soll eine Wechselbeziehung zwischen der Offenheit der Communitas und der Trennung der Immunitas hergestellt werden. So wie wir durch das Meer gleichzeitig verbunden und getrennt sind.

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