Wie heisst Du nochmal?

Extra, extra! Read all about it! Wirtschaftswissenschaftler haben jetztherausgefunden, worauf unsere Vergesslichkeit im Alltag zurueckzufuehren ist. Was Verhaltenspsychologen seit Jahren zu entraetseln versuchen, hat ein Team an der Business Harvard School entschluesselt: Spontane Amnesie, wie Experten das Phaenomen zu nennen pflegen, ist keine Krankheit, noch weniger ist es eine Schwaeche. Es handelt sich dabei um eine wohlkalkulierte Kommunikationsstrategie, die sich der hochgezuechtete Homo Sapiens zwecks Optimierung seiner oekonomischen Performanz antrainiert hat.

Rueckblick: Wie wir spontane Amnesie bislang kannten: Ihr Handy klingelt. Smoke on the Waaaater. Dumm, dumm, dumm – dumm, dumm, du, du, dumm. >Ja, servus. Der Hannes hier.< Hallo, ja. Wer? >Soeren! Wie geht´s? Super Wetter heute, nicht?< Wer ist da bitte? >Mensch, Soeren hier.< Ach, Soehlen. >Nein, Soeren.< Soren, wer? >Na, Soeren Maisberger. Hallo. Oops. Scheiss Verbindung. Hallo? Es geht doch um die Porsche-Aktien.< Aha. >Der Kurs steht gut. Jetzt, kaufen, kaufen, kaufen. Aber alles Weitere dann bei unserem Treffen um 17 Uhr.< Schwerhoerig? Schwer von Verstand? Vergesslich? Schlechte Verbindung? Oder ist unser Hannes-Normal-Verbraucher einfach nur der Mensch mit dicker Haut, der sich vor Vertreter-Penetranz schuetzen moechte? Letzteres legt die Konversation aus dem Standard-Lexikon zwar nahe. Aber: Hannes und Soeren sind immerhin Geschaeftsfreunde. Also Menschen, die sich ueber ihren Job kennengelernt haben und ab und zu einen Trinken gehen. Dabei haben ihn schlechte Handyverbindungen bislang vor moralischen Engpaessen bewahrt. Doch auch im Offline-Kommunikationsalltag stand man ihm bislang relativ grosszuegig gegenueber. Nicht zuletzt wegen seinem gewinnenden Wesen. Was macht es da schon, wenn er sich mal nicht an einen Vornamen erinnern kann? Doch mit Erinnerungsvermoegen hat dies auf keinen Fall etwas zu tun. So die Harvard-Studie. Im Gegenteil. Hannes hat ein besonders gutes Gedaechtnis. Vor allem, wenn es darum geht, seine Interessen im Auge zu behalten. Natuerlich will er gleichzeitig nicht ohne Verbindung zur Aussenwelt sein Dasein fristen. Er will Freunde, er will ein Netzwerk und diese Infrastruktur am liebsten fuer seine Geschaeftsplaene so sinnvoll wie moeglich nutzen. [Handy-gestuetze] Amnesie ist fuer ihn ein Verhandlungsmodus. Auf geschickte Art und Weise schafft er es immer wieder, auf Distanz zu den Leuten zu gehen. Am besten dann, wenn sie es nicht erwarten. Etwa wenn sein Gegenueber zutraulich geworden ist und in freundschaftlichen Gefuehlen badet. Was man als unpersoenlich empfindet [gerne vergisst Hannes naemlich alle moeglichen vertraulich ausgetauschten Informationen], ist eine knallharte Strategie, in der es darum geht, Positionen immer wieder aufs Neue auszutarieren. Zu seiner Vorgehensweise, so die Harvard-Studie weiter, zaehlt ausserdem das non-lineare Vorgehen: Er legt sich nicht fest, sagt weder ja, noch nein, zoegert Entscheidungen bis zum Geht-nicht-mehr hinaus und traegt am liebsten zwei Huete gleichzeitig. Hannes versteht es darueber hinaus blendend aus einem gemeinsamen Interesse, ein einseitiges zu machen. Ohne dass man sichs versieht steht das Verhaeltnis von Bedarf und Machtfrage auf dem Kopf. Die Harvard-Studie schliesst mit einem Kapitel ueber eine juengere Kampagne von Nike. Die Forscher geben zu Protokoll, dass die Herbst letzten Jahres lancierte Werbeoffensive des Sportartikelherstellers fuer sie eine Art Initialzuendung gewesen sein soll. Endlich habe man neben der soziologischen Grundlage auch eine evidente Verbindung zur Wirtschaftswissenschaft konstatieren koennen. Mit der implizit kommunizierten Annahme einer extrem hohen Affirmations-Quote wandte sich das Sneaker-Imperium in der besagten Anzeigen-Serie naemlich mit einer hochwertig-koketten Frage an sein Massenpublikum: How often do you contradict yourself? Es versteht sich fuer die Forscher von selbst, dass die Identifikationsfigur der Werbekampagne eine junge Frau ist. Schliesslich laute der Slogan des kommunikativen Strukturwandels >Softskilling the economy<.

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