Whistleblower-Gesetz: Staatliche Repression und die Webradio-Kampagne “Blow the Whistle”

Die viel diskutierten Folgen von WikiLeaks sind in den USA überall spürbar. Kürzlich hat der US-Senat den bereits weitgehend durchgewunkenen “Whistleblower Protection Enhancement Act” (Bill S.372), kurz WPAE, wieder auf die lange Bank geschoben. Ein Senator hatte sein Recht auf einen „secret hold“ genutzt und sich anonym gegen die Verabschiedung des Gesetztes ausgesprochen. Eine Webradiosendung hat daraufhin ihre HörerInnen dazu mobilisiert, den Abstimmungsverweigerer zu finden. Berliner Gazette-Gastredakteur Andi Weiland fasst die wichtigsten Ereignisse zusammen.

Seit 1998 setzen sich verschiedene Gruppe dafür ein, dass Regierungsmitarbeiter und Staatsbedienstete einen Schutz genießen, wenn sie Verschwendung, Betrug und Missbrauch von Ämtern öffentlich machen. Denn besonders Regierungsmitarbeiter können bei solchen Whistleblowing-Aktionen mit schweren Verurteilungen rechnen, da sie nicht vor ein Zivilgericht gestellt werden. Der aktuelle Fall von Bradley Manning veranschaulicht diese Problematik.

Vielleicht waren auch genau die Diskussionen um Bradley Manning, Julian Assange und WikiLeaks der Auslöser dafür, dass ein Senator das Gesetz zum Whistleblower-Schutz nicht zur Abstimmung bringen wollte und seinen republikanischen Parteivorsitzenden dies mitteilte. Durch dieses secret hold ist die Abstimmung über den Whistleblower Protection Enhancement Act vorerst verschoben worden, bis vielleicht ein neuer Senat darüber entscheidet.

Anonym gegen Transparenz

Man kann von einer perfiden Ironie der Geschichte sprechen, wenn eine Abstimmung für mehr Transparenz anonym verhindert wird. Kein Wunder also, dass dieses Ablehnungsverfahren umgehend die Gegner des anonymen Whistleblowergegners auf den Plan rief. Sie mobilisierten sich im Internet und wollten wissen wer nun der Senator war, der die Abstimmung verhinderte. So riefen die Webradio-Sendung On the Media und die führende Vereinigung zum Schutz von Whistleblowern der USA ein gemeinsames Projekt ins Leben: Blow the Whistle. Über das Online-Radio wurde die Bevölkerung aufgerufen, ihren jeweiligen Senator zu fragen, ob er die Abstimmung zur Bill S. 372 verhindert hat. Auf der Homepage wurden die Ergebnisse dann zusammengeführt.

Im US-System sollen die Senatoren die Interessen der Bevölkerung ihres Bundesstaats vertreten und entsprechend auch jedwede Anfragen ihrer WählerInnen beantworten. Wie schwer es sein kann, den betreffenden Senator dazu zu bewegen, erklärt die „On the Media“-Hörerin Susan Shippler. Sie habe etliche Mails schreiben und bis zu sieben Wochen warten müssen. Ohne den öffentlichen Druck der über die Webpräsenz des Projekts auf die Politik ausgeübt wurde, hätte es vielleicht noch länger gedauert. Doch als ihr Senator erkannte, dass er nicht der einzige war, der die Frage zum „secret hold” beantworten musste, war ihm klar: Sein Ansehen würde stark darunter leiden, wenn er die Frage unbeantwortet lässt. Innerhalb eines Tages hatte Shippler dann ihre Antwort.

Bisher konnte das Projekt noch zu keinem Abschluss kommen, weil sich nur jene Senatoren eindeutig zu Wort meldeten, die nicht von dem Mittel des „secret hold“ Gebrauch gemacht haben. Dabei ist es interessant, dass der WPEA über die politischen Orientierungen hinweg im demokratischen wie republikanischen Lager Befürworter aber wenig Öffentlichkeit fand. Denn auch die Berichte über diese Verzögerungstaktik halten sich in Grenzen, wie man auch auf der „Blow the whistle“-Seite nachvollziehen kann.

Ist WikiLeaks schuld?

Verglichen mit dem Guttenplag-Projekt in Deutschland müsste es doch ein viel stärkeres Aufsehen in der Gesellschaft erregen, wenn ein Senator geheim die Abstimmung über ein Gesetz verhindert, das dem Land ein Stück mehr Freiheit geben soll.

Die Huffington Post gibt die Schuld an diesem Umschwung in der öffentlichen Meinung WikiLeaks. Besonders die Diskussionen über Cablegate haben den WPEA in ein umstrittenes Licht gerückt und anstatt nun durch den Schutz von Whistleblowern die Regierungsarbeit zu verbessern, wie es der Sprecher des Weißen Hauses Reid Cherlin formuliert, versiegt das Thema in der Öffentlichkeit.

Wie genau sich das Projekt und die Abstimmung zum WPAE weiterentwickeln, ist bisher noch völlig offen. Bisher bleibt wohl nur die Erkenntnis, dass lange noch nicht jedes Geheimnis mit den Mittel des Crowdsourcing gelöst werden kann.

15 Kommentare zu “Whistleblower-Gesetz: Staatliche Repression und die Webradio-Kampagne “Blow the Whistle”

  1. Vielen Dank für die Infos und eine Frage: Wie ist der Vergleich zum GuttenplagWiki im letzten Teil des Textes gemeint? Geht es dir darum zu zeigen, wieviel Aufmerksamkeit ein Netzthema generieren kann, was es bewirken kann?

  2. hatte ich gar nichts von gehört 1) die Unterdrückung dieses Gesetztes (im Gegenteil: ich dachte, es gibt da in den USA im Gegensatz zu Deutschland so eins) und 2) von dieser interessanten engagierten Kampagne, ein Beispiel für andere, die sich nicht alles bieten lassen wollen, was der Staat so macht…

  3. Hallo Magdi, ja genau das mit dem GuttenplagWiki ist mit der Aufmerksamkeit gemeint. Wenn man es nämlich in Relation sieht, dann müsste so eine “Ablehnung” eines Whistleblowergesetz doch viel mehr Aufmerksamkeit im amerikanischen Raum erzeugen, aber wenn man zu dem Thema recherchiert findet man doch verhältnismäßig wenig. Warum das so ist, kann ich aber nicht sagen. Vielleicht weil so ein Gesetzesvorhaben komplexer ist als Plagiate in einer Doktorarbeit zu finden? Oder weil es in der Weihnachtszeit passiert ist?

  4. @.andi: vielleicht ist die aufmerksamkeitsspanne für das thema whistleblowing auch einfach ausgereizt. mit japan/fukushima sind die großen medien jetzt ja auch schon durch.

  5. @magdi, aber wenn das so ist, dann würde das Internet oder Communitys doch keine Neuerungen in der gesellschaftlichen Diskussion sein, wenn wir den Themen dann einfach keine Aufmerksamkeit mehr geben.

  6. @Andi Weiland: Naja, da würde ich die Ebenen nicht vermischen wollen. Gerade weil es das Netz gibt, steht Whistleblowing doch überhaupt wieder auf der Agenda und zweitens findet hier eine Überwachung der klassischen Medien durch Bürgermedien statt. Die klassischen Medien haben das Thema schon abgehakt, aber in den Bürgermedien oder Social Media wird sich dafür noch immer stark gemacht. Bleibt die Frage, warum es bei deiner Recherche so wenig zu finden gab: Vielleicht muss man bei solchen Themen auch neue Methoden der Recherche anwenden und viel eher die sozialen Netzwerke gezielt durchforsten, FB hat ja seine Suchfunktion erst neulich wieder aufgerüstet.

  7. sehr interessant, aber auch nicht ganz klar, warum es nicht mehr Widerstand gegen dieses Vorgehen des Parliaments gibt… ich meine, mehr Kampagnen oder Initiativen dieser Art…

  8. ich glaube nicht dass die Leute was erreichen werden die Regierung wird alles daran setzen sich nicht in die Karten schauen zu lassen

  9. @#5: man darf nicht USA und Deutschland verwechseln bzw. die Medien aller Länder über einen Kamm scheren, wir wissen zum Beispiel, dass Japan/Fukushima in USA nicht so groß geworden ist wie in Deutschland, die waren damit durch bevor wir den Höhepunkt erreichten, na ja und dann wissen wir nicht nur recht wenig über das Aufbegehren der BürgerInnen gegen die Art und Weise wie mit dem Gesetzt verfahren wird, sondern auch relativ wenig über die Stimmung im Lande in Sachen Whistleblowing und WikiLeaks — oder hat hier jemand Zahlen? pro contra und solche Statistiken?

  10. @zk#11: dafür hat der Guardian für seine Arbeit mit Wikileaks den “UK newspaper of the year” Preis bekommen

  11. @zk ich muss dir recht geben, dass man politische und mediale Systeme nicht vergleichen kann und so kann man vielleicht auch diesen Artikel einordnen. Für mich bleibt aber trotzdem die Frage: warum dieser WPAE so wenig Aufmerksamkeit bekommen hat obwohl es sogar eine Gesetzesinitiative war die parteiübergreifend positiv aufgenommen wurde?

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