Von Schülern lernen

Russisch, Spanisch, Hindi, Indonesisch, Sanskrit, Khmer; all diese Spachen habe ich irgendwann mal angefangen zu lernen. Und ganz neu Persisch, nein Dari – das afghanische Persisch – darauf legt man wert. Einen besonderen Status hat Englisch. Fast zwei Jahrzehnte lang habe ich diese Sprache gelernt und mich dann als Englischlehrerin ausbilden lassen. Nach einem vierwöchigen Intensivkurs lag das Zertifikat in meinen Händen. Auf Englisch klingt das ganz wichtig: Certificate in English Teaching English to Adults.

Ich hatte auch vorher schon einmal als Englischlehrerin in Kambodscha gearbeitet, aber so richtig wollte mich damals keiner und mein Gehalt war auch dementsprechend schlecht. Das lag alles nur an diesem Zettel – der “ich bin ausgebildet”-Zettel. Es hatte also nicht wirklich etwas mit meinen Englischkenntnissen zu tun oder mit meiner Art zu unterrichten, das ich vorher keine guten Jobs bekommen hatte. Es lag einzig am Fehlen dieses Zettels.

Ein Zettel, der Türen öffnen kann

Gut, den hatte ich jetzt also. Ich versuchte es wieder. Es ging dann auch ganz schnell. Wieder Phnom Penh, Kambodscha. Gehalt: dreimal so hoch und die Aussichten waren gut auf (noch) bessere Positionen. Wenn ich Lust darauf gehabt hätte, den Rest meiner Tage als Englischlehrerin in Kambodscha an einer privaten Englischschule reiche, verwöhnte Kinder zu unterrichten, hätte ich für immer bleiben können.

Zum Glück hat es mich nicht an eine Privatschule verschlagen. Stattdessen bekam ich die Möglichkeit, Studenten verschiedener kambodschanischer Minderheiten aus den nordöstlichen Provinzen Rattanakiri und Mondulkiri zu unterrichten. Diese Studenten, die mit Hilfe von Stipendien in die Hauptstadt gekommen waren, hatten sich zu der Cambodian Indiginous Youth Association zusammengeschlossen. Sie wurden von einer Stiftung aus Deutschland, die in Kambodscha tätig ist, unterstützt.

Mehr als nur ein “teacher”

Das Schwierigste für mich war, die Schüler daran zu gewöhnen, mich nicht nur “teacher” zu nennen. Das ist eine gängige und respektzollende Anrede für jegliche Art von (ausländischen) Lehrern. Nachdem diese Hürde genommen war, waren die täglichen zwei Stunden für mich eine sehr interessante Möglichkeit, aus dem Leben und von den Gedanken junger Kambodschaner zu lernen. Denn schnell wurde mir klar: Wer aufgeschlossen ist, kann als Lehrer beim Unterrichten genausoviel lernen wie die Schüler.

Hitzige Debatten waren in unserem Kurs keine Seltenheit. Und das gemeinsame Abendessen im Anschluss an den Unterricht wurde beinahe obligatorisch. Auch wenn der höfliche Respekt nie ganz verloren ging, entwickelte sich aus unserem Lehrer-Schüler-Verhältnis eine interessante, fast freundschaftliche Beziehung. Das lag vielleicht auch daran, dass ich und die Schüler fast gleich alt waren. Doch eine wichtigere Rolle spielte das gegenseitige Interesse, die andere Kultur und Sichtweise kennenzulernen.

Unterrichten an der Islamschule

Dann zog es mich nach Indonesien. In diesem vom Islam geprägten Staat gibt es, was das Unterrichten anbetrifft, keine großen Unterschiede zu Kambodscha. Meine Erfahrung in einer Islamschule (Pesantren) zu unterrichten, war durchweg positiv. Ich kam sehr gut mit den Schulautoritäten und mit den Schülern klar. Die anfängliche Schüchternheit der Schüler löste sich nach wenigen Minuten und der mir entgegengebrachte Respekt war vor allem bei der Verabschiedung überwältigend.

Einen Unterschied gab es dann doch: Die Trennung von Mädchen und Jungen mit aufgestellten Wänden im Klassenzimmer. Der Lehrer/ die Lehrerin hat trotzdem beide Seiten im Blickfeld. Und die Trennung wirkt sich hinsichtlich der Aufmerksamkeit der Schüler nur positiv aus. Diese Trennung findet jedoch in staatlichen Schulen nicht statt. Damit hatte ich schon meine eigenen Erfahrungen gemacht. Vor fünf Jahren hatte ich an einer staatlichen Fachoberschule unterrichtet und musste wirklich um die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler kämpfen.

Meiner Erfahrung nach spielt es in Indonesien keine Rolle wer der Wissensvermittelnde ist. Egal ob Lehrer oder Lehrerin, man wird für das was man gelernt hat, weiß und vermitteln kann respektiert. Nicht zuletzt lehrt der Islam, dass man seinem Lehrer (und das hier ist keine Geschlechterspezifizierung), der einem Wissen beigebracht hat, lebenslang Respekt zollen und ihn wenn möglich immer wieder besuchen soll.

Bildung für alle

Wie ich in Kambodscha beobachtet habe, ist das Hauptziel der Bildungspolitik, Schulbildung für alle zugänglich zu machen. Noch immer gibt es viele sogenannte Drop Outs. Das sind Jugendliche, die es sich auf Grund ihrer wirtschaftlichen Lage nicht (mehr) leisten können zur Schule zu gehen. Leider muss Bildung in Kambodscha immer noch (teuer) bezahlt werden. Auch in Indonesien ist eine ähnliche Problematik zu beobachten.

In Indonesien gibt es verschiedene Aktivisten, die auf längere Sicht Erfolg haben könnten. Diese argumentieren, dass Indonesien seine eigenen Rohstoffe optimal nutzen müsste, anstatt sie zu exportieren. Dann wäre eine kostenlose Bildung für die kommenden Generationen Indonesiens möglich. Viele dieser Aktivisten sind junge Muslime, vor allem Frauen, die um ihre Kinder und ihre Nation besorgt sind.

Besonders aktiv in dieser Hinsicht sind Mitglieder der indonesischen Ausformung der transnationalen Organisation Hizbut Tahrir. Diese Organisation darf in Deutschland offiziell nicht operieren (in Großbritannien wird Hizbut Tahrir jedoch ein legaler Status zugestanden).

Deutschland entwickelt sich zurück

In Deutschland ist die Kostenfrage für Primär- und Sekundärbildung zurzeit noch kein Problem. Wenn sich die Hochschulproblematik so weiterentwickelt, bin ich mir nicht so sicher, ob wir für unsere in fünf Jahren geborenen Kinder, nicht irgendwann Schulgeld bezahlen müssen. In dem Sinne entwickelt sich Deutschland zurück.

Ich mache zurzeit meinen Master im Bereich der modernen Süd- und Südostasienstudien, um meinem Anspruch auf ‘genügend’ Bildung gerecht zu werden. Ich lese auch zu anderen Themengebieten viel und versuche den Dialog mit meiner Umwelt und Mitmenschen auszubauen. Auch hier gilt: Durch den zwischenmenschlichen Dialog kann man immer noch am meisten lernen.

Dass ich mich immer mehr zur Lehrerin entwickle, ist hauptsächlich meinem Wusch zu verdanken, Wissen vermitteln zu wollen. Und natürlich auch von meinen Schülern (die meist anderen Kulturen angehören) zu lernen. Das ist auch ohne Festanstellung möglich – und ich kann dort helfen, wo mein Wissen gefragt ist. Mit oder ohne Zettel.

11 Kommentare zu “Von Schülern lernen

  1. Danke für den spannenden Bericht aus einer Welt, die mir bis jetzt noch sehr fremd ist. In einer Islamschule unterrichten. Wow! Dein Ansatz als Lehrerin finde ich genau richtig. In der Didaktik hat man das auch schon erkannt und unter dem Konzept: lernen durch lehren (http://de.wikipedia.org/wiki/Lernen_durch_Lehren) zusammengefasst.

  2. Sehr interessante Sache, Respekt für die Konsequenz, mit der Du dich durch die Welt bildest, reist und unterrichtest, Hut ab!

  3. Gibt es Organisationen für Englisch-Lehrer in Asien, über die Sie Ihre Jobs bekommen haben oder ist das alles selbst organisiert? Ich kann mir das alles nicht so gut vorstellen, weil ich noch nie im Ausland gearbeitet habe und mir es nicht einfach vorstelle, ohne festen Wohnsitz irgendwo eine Anstellung zu finden.

  4. Wer selbst in Südostasien (Kambodscha, Indonesien oder Thailand, aber auch Vietnam, Malaysia, …) als Lehrer tätig werden will, dem empfehle ich wirklich direkt vor Ort zu versuchen. Über das Internet kommt man in dieser Region schwer an Stellen ran (für China, Japan Südkorea geht es ganz gut). Also, vielleicht beim nächsten Urlaub umhören … Ansonsten einfach mal bei google “Teaching English in Asia” eingeben, da bekommt man schon einen guten Überblick … und nicht den ‘Zettel’ vergessen. ;-)

  5. Pingback: Baustellen bilden

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