Unterschriften gegen die Vereinzelung

Vor kurzem ging ein Aufruhr durch New York: Die haesslichen tags in der Subway sind wieder da! Nachdem lokale Graffiti-Kuensler schon lange die Finger davon lassen die U-Bahn mit ihren Markierungen zu verzieren, sind es nun Touristen [Nicht-New-Yorker], die nachts in Bahnhoefe einbrechen und ihre Botschaften hinterlassen. Diese werden dann mit der Digicam abgeknipst und auf YouTube online gestellt – so verbreitet sich der fame schneller. Unter den neuen tag-Kuenstlern sind auch viele Deutsche, wie zum Beispiel Biser, der so subtile Nachrichten hinterlaesst wie >Hi from Berlin!<. Aufgrund dieser hohen Deutschquote, hat die New York Times mal eben den Neologismus >guten – tagger< kreiert. Mit dem Zusatz: >Verschwindet schnell wieder!<. Dass das tag-movement in Deutschland schon eine Evolutionsstufe weiter ist, hat im Big Apple allerdings noch keiner zur Kenntnis genommen. Immer diese Selbstbezogenheit! Der Kuenstler Stefan Beck laesst sich davon nicht beirren. Er hat zusammen mit The Thing das Projekt tagcity gestartet. Hier hinterlaesst man keine Kritzeleien, sondern Barcodes in oeffentlichen Raeumen. Diese koennen mit einem internetfaehigen Handy entschluesselt werden. Der Handynutzer kann auf diese Weise etwas ueber die Geschichte der getaggten Orte erfahren und selbst Kommentare hinterlassen. Demnaechst soll es auch moeglich sein, Videobotschaften oder Musik zu >taggen<. Falls tagcity irgendwann mal in meiner Heimatstadt Pritzwalk Einzug halten sollte, koennte ich einen >tag< an jenem Baum hinterlassen, unter dem ich damals meinen ersten Kuss bekam. Die entschluesselte Botschaft wuerde jenes Gedicht preisgeben, das ich damals aus diesem Anlass geschrieben hatte. Frueher haetten wir vermutlich ein Herz in den Baum geritzt, schoen krakelig mit unseren Initialen in der Mitte. Die Zeiten aendern sich halt. Vielleicht sollte man das auch mal den New Yorkern fluestern - oder besser: taggen. Nicht das die sich eines Tages wundern, dass die Graffitis verschwunden sind, und alle nur noch mit ihren Handys beschaeftigt sind, die Stefan Beck mit seiner tagcity-Software infiziert hat.

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