Synapsenkrieg

Viele Kuenstler, Filmemacher, Schriftsteller und Architekten haben sich in letzter Zeit an Kim Jong Ils Nordkorea abgearbeitet. Sean Snyder zum Beispiel, der Querverbindungen zwischen Pjoengjang und Bukarest aufgezeigt hat. Oder der Schriftsteller Christian Kracht und der Fotograf Armin Linke, die selbst hingefahren sind.

Letzterer hat die Bauwerke der Hauptstadt in sein fotografisches Klassifizierungsraster der Globalisierungsarchitektur aufgenommen. Die Dokumentarfilmerin Yang Yong-hi hingegen hat mit >Dear Pyongyang< einfach nur versucht, ihre eigene Geschichte aufzuarbeiten und damit vielleicht die tiefschuerfendste Analyse abgeliefert. Trotz suedkoreanischem Hintergrund wurde Yang Yong-his Familie in ihrer zweiten Heimat Japan nach der Teilung ihres Landes zu ueberzeugten Gefolgsleuten Nordkoreas. Der Comicautor Guy Delisle arbeitete als Supervisor fuer eine franzoesische Trickfilmproduktion zwei Monate lang in Nordkorea und verarbeitete dies in autobiographischen Schwarzweiss-Zeichnungen. Der Architekt Stefano Boeri hat in seinem Architekturmagazin Domus einen kontroversen Pjoengjang-Artikel veroeffentlicht und daraufhin einen Ideenwettbewerb initiiert, der Architekten dazu aufrief, Entwuerfe fuer das brachliegende Ryugyong Hotel einzureichen.

Nun soll diese Woche im Kuenstlerhaus Bethanien eine Ausstellung unter dem Titel >PjoengjangPjoengjang< eroeffnet werden und man darf gespannt sein, was die beteiligten Kuenstler Arno Brandlhuber, Martin Eberle, Juliane Eirich, Hans-Christian Schink und Nicolai von Rosen dieses Mal mit Kims Maerchen anstellen. Ob die kritische visuelle Kultur des Westens zeigt, dass die Herrschaft ueber die sichtbare Welt, die der nordkoreanische Diktator Kim Jong Il offenbar errichtet hat, ein zweischneidiges Schwert ist? Wer wollte schon stehen lassen, was ein GEO-Journalist neulich konstatierte: >Nur wer die Bilder beherrscht, kann ein solches Paralleluniversum als Realitaet in den Koepfen etablieren.<

4 Kommentare zu “Synapsenkrieg

  1. “Kim Jong Ils Nordkorea” – das hört sich an wie “Goethes Faust”, ein kleiner Mann als Autor eines ganzen Nationalstaates. Dabei ist der Autor dem Verständnis der westlichen Kultur nach noch viel mehr als nur der Urheber, er ist Schöpfer, Imaginator, Autorität und Kontrollinstanz. Ein Alleinherrscher. Kim Jong Il beherrscht vermutlich nicht nur die Bilder, sondern die gesamte Textur dieses Staates.

  2. @magdalena: ich weiss, du meinst mit textur mehr als einen geschriebenen text, aber wollte an dieser stelle hinweisen, dass der gute mann auch bücher schreibt, essays, über kultur und kino. kracht & co. haben wissenschaftlich nachgewiesen, dass er sein reich nach den regeln des films gebaut hat. so gesehen ist nordkorea ein autorenfilm. schade, dass er unter mitunter so grässlichen bedingungen entsteht. schade aber auch, dass er nicht in irgendeiner kolonie im oter space unter besseren bedingungen mal ran darf um einen “zweiten film” zu “drehen”. aber vermutlich findet er deshalb keine geldgeber für ein solches unterfangen, weil sein debüt als flop gehandelt wird.

  3. die berliner gazette sollte mal eine lesung mit diesem aussergewöhnlichen ausnahme-autor organisieren!

  4. Kim Jong Il ist schon ein Phänomen! Hätte nie gedacht, das Alfred Kubins “Die andere Seite” tatsächlich mal auf Erden realisiert wird. Man könnte David Lynch auch einen kompletten US-Bundesstaat überlassen, das würde sicher ähnlich interessant. Aber letztlich hat dies Ganze dann doch selbst für meinen Gusto einen arg zynischen Beigeschmack. Man sitzt hier am heimischen Laptop und ist fasziniert, doch eine Gilles Deleuze artige Betrachtung der Welt und das wirkliche Leben auf der Strasse, das sind schon zwei Paar Schuhe. Außerdem hat Kim nur geerbt und von weltpolitischen Vorgängen vor 50 Jahren profitiert, das schmälert den bösen Verdienst auch etwas.

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