Surfende Cowboys

So richtig los ging die Arbeit fuers Fernsehen Mitte der 80er Jahre. Ich hatte mich in den ca. 15 Jahren aktiven Lebens zuvor zu einem bedeutenden Teil mit Film und Musik, insbesondere der Kombination von Beidem, beschaeftigt:

Erste Band mit 14 [1966], nach einer Pause aktiven Musikmachens von Anfang der 70er Jahre bis `78 gleichzeitig Beginn des Studiums an der DFFB [Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin] und Gruendung der Band Die Haut [aufgeloest 2000]. Die meisten der filmischen Arbeiten, die ich waehrend der Studienzeit realisierte, waren Auseinandersetzungen mit den Moeglichkeiten der Musik-Bild-Verknuepfungen, sei es eher in der Tradition des Experimentalfilms, sei es im Kontext von Videokunst, dokumentarisch-essayisstisch oder in narrativen Kontexten. Unter anderem realisierten wir – kurz bevor MTV/USA an den Start ging und damit das Genre etabliert wurde – fuer Die Haut eines der ersten Musikvideos ueberhaupt, zu unserem Stueck >Der karibische Western< [Vocals/Lyrics: Lydia Lunch], wobei wir ausgesuchtes Ready-Made-Material mit selbst inszenierten Sequenzen sich duellierender surfender Cowboys kombinierten... Ich sollte vielleicht noch erwaehnen, dass ich in den spaeteren 60ern und durch die 70er hindurch politisch in zahlreichen Organisationen und Projekten linker Politik taetig war und u.a. am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin Poltische Wissenschaften und Philosophie studierte, beides natuerlich meine kuenstlerischen Ansaetze wechselseitig durchdringende Taetigkeiten, Denkstrukturen und Lifestyle-Aspekte. Ich hatte mir seit langem ein Fernsehprogramm zur Popkultur gewuenscht, das die Sache sozusagen ernst nimmt. Ich hatte bei mir selbst erlebt, welche grosse Bedeutung Popmusik im weitesten Sinne in meinem Leben bis dato gespielt hatte, und es gab keinerlei Anzeichen dafuer, dass sich das aendern sollte. Im Gegensatz eben dazu, wie man das von seinen Eltern oder noch frueheren Generationen kannte: So ein paar Jaehrchen zwischen 18 und 22 schlaegt man vielleicht mal ein bisschen ueber die Straenge, macht mal einen drauf und steht auf Elvis, und dann heiratet man und wird erwachsen, ist also gewissermassen tot - so jedenfalls empfand ich damals diese Art von vorgezeichneter Standard-Lebensperspektive der 50er-Jahre- Nachkriegs-Eltern-Generation. Kongenial dazu beschaeftigten sich die TV-Programme jedoch, inklusive der [teilweise brandneuen] Kulturkanaele wie Arte oder 3Sat, zu 99% ausschliesslich mit Hochkultur. Unsere Bemuehungen um das, was spaeter als die Doku-Reihe >Lost In Music< [LIM] fuer ca. 10 Jahre und 18 einstuendige Folgen die meisten zeitgenoessische Musik-orientierten Popkulturgenres behandeln sollte, waren zu diesem Zeitpunkt nur in der Fernsehlandschaft singulaer. Es gab im akademischen Bereich v.a. in den USA die Cultural Studies, und auch in Deutschland gab es mit der Zeitschrift Sound und dann Spex einen rasant sich entwickelnden Diskurs der Historisierung, Kontextualisierung, Politisierung etc. von Phaenomenen der Populaeren Kultur, dabei ganze Begriffsapparate und Methoden entwickelnd [Spex-Redakteure waren dann auch haeufig beratend bei >Lost In Music< beteiligt] die in der Folge Legionen von Stadtzeitungs- und FeuilletonredakteurInnen zumindest im Jargon beeinflussen sollten. Obwohl >Lost In Music< einen wachsenden Kreis von Fans und Freunden hatte, mussten die Redaktuere Claudia Tronnier und Christian Cloos jedes Mal, wenn ein Film fertig war, um einen Sendeplatz kaempfen. Auch der Grimme-Preis fuer die 2. Folge von LIM bescherte uns zwar jede Menge Schulterklopfen auf der Party, aenderte aber weiter nichts an der halbherzigen Art, mit der unser Projekt behandelt wurde. Wenn es den RedakteurInnen jeweils gelungen war, einen Sendeplatz zu ergattern, lag der gerne um bzw. nach Mitternacht, was zwar zur Entstehung von Fanzirkeln beitrug, wo jemand Arte empfangen konnte und die Sendungen aufnahm, um sie im Kreise der Freunde bei gelegentlichen Treffen gemeinsam anzusehen. Die aber zunehmend auch bei Arte zum Dreh- und Angelpunkt avancierende >Quote< war in Anbetracht der Sendezeit, die zudem oft noch unprogrammgemaess sich nach hinten verschob, natuerlich entsprechend bescheiden. Ein schoenes Beispiel fuer einen mir leider nur allzu vertrauten Fall von Self-fullfilling Prophecy... Als eher kleinere Produktionsfirma war Turner & Tailor immer schon unangenehm betroffen von den Modalitaeten der Auszahlung der kleinen Budgets bei Auftragsproduktionen, zu der sich standardmaessig eine schlechte Zahlungsmoral gesellt: die Gelder kommen stets spaet, d.h. man muss staendig in Vorleistung gehen, was umso problematischer ist, je kleiner der generelle Umsatz der kleinen Firma ist. Die Budgets sind zumeist [und selbstverstaendlich mit staendigen Minustendenzen] so knapp bemessen, dass Auslandsdrehs, bei LIM etwa essentiell und unabdingbar, eigentlich kaum moeglich sind. Verzichtet man nicht darauf, um eine bestimmte Qualitaet zu erreichen, gibt es praktisch keine Gewinne, man bewegt sich also staendig an der Insolvenz entlang. Zum Gesamtbild gehoeren allerdings auch einige sehr positive Erfahrungen mit einzelnen Personen auf allen Ebenen des Senders, die immer wieder durch ihren Einsatz und das geschickte und solidarische Entdecken und Ausschoepfen von Spielraeumen, Moeglichkeiten der Beschleunigung von gewissen Prozeduren, etc. materielle wie psychologische Hilfe leisteten und leisten. Nachdem bei Arte eine zeitlang bestimmte Doku-Formate zur Popkultur existierten wie etwa >Music Planet<, einstuendige Portraits einzelner Bands und Musiker [fuer sich genommen schon eine pragmatische Reduzierung, bei der es nicht moeglich ist, komplexere Themen zu bearbeiten, mit entsprechend kleinem Budget], wird auch hier der letzte noch moegliche Schritt getan, bevor man solche Programme komplett abschafft: man reduziert das Format auf abgefilmte Live-Konzerte. Projekte wie die existierenden 2 Folgen der auf 11 Folgen konzipierten Serie >Pop Odyssee<, - >Die Beach Boys und der Satan< und >House of the Rising Punk< - die angemessen budgetiert waren, sind zumindest in meiner >Karriere< im Zusammenhang mit Fernsehen die Ausnahme. Ein etwas komplexer angelegtes, historisches Projekt braucht in Anbetracht der Preise fuer historisches Material mehr Geld, als man z.Zt. bereit ist, auszugeben, zumindest fuer Themen im Umfeld der Popkultur.

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