Skywalker Ranch

Es war einmal, vor vielen, vielen Jahren in einem idyllischen Tal: Das saftige, gruene Grass wiegt sich sanft im Rhythmus der Winde, Hasen blitzen auf und ab und ueber den Seen fliegen Voegel spazieren. Ein Kloster stand hier mal, jetzt wurde es in ein bewohnbares Haus und das Tal in einen Weinberg umgewandelt. Waehrend hier nun mit aller Liebe Wein hergestellt wird, waechst die Familie; neue Haeuser und Wohneinheiten werden gebaut.

Ploetzlich verdunkelt sich das Tal. Ein Eisenbahnbaron tritt auf den Plan, kauft das weitlaeufige Gelaende, um seine Vision zu verwirklichen: Die laengste Bahnlinie der Welt zu bauen. Mit einem Mal wird es unerwarteterweise wieder heller. Eine baertige, sonnengebraeunte Lichtgestalt vermag eine Summe aufzubieten, die der Bahnlinie des Eisenbahnbarons in letzter Sekunde eine Umleitung aufzwingt [sie wird dadurch freilich noch laenger!] und das Tal in eine goldene Epoche fuehrt. Der Retter, nachdem er das Land gekauft hat, beginnt dort einen Miniaturstaat zu errichten, der den bescheidenen, aber nicht weniger fantasievollen Namen >Skywalker Ranch< traegt. Die zahlreichen Gebaeude, die er selbst entwirft und bauen laesst, sind im viktorianischen Stil gehalten. Sie dienen der gut 2000 Menschen umfassenden Bevoelkerung als Wohn- aber auch als Arbeitsstaetten. Hinter den romantischen Fassaden befinden sich also nicht nur Privatraeume, sondern mittlerweile auch auf den modernsten Stand der Technik getrimmte Labore: digitale Schneideraeume, computerisierte SFX Anlagen, Hi-Tech-Tonstudios, aber auch Verwaltungsbueros, Bibliotheken und ein unterirdisches Kino. Jede dieser Elementareinheiten hoert auf einen fuer Aussenseiter unergruendlichen Namen: Die Menschen heissen Skywalker Rangers, der See etwa wird Lake Ewok genannt, die Waehrung traegt den Namen Lucas Bucks. Man lebt hier so gut wie vollkommen abgeschottet von der Aussenwelt - wie in einem isolierten Staat namens Kuba, Nord Koera, Iran, etc. Denn der Sonnenkoenig will, dass die Geheimnisse seiner kreativen Fabriken wie Staatsgeheimnisse gehuetet werden. Einlass findet man nicht ohne weiteres. Man braucht, wie auch in Libyen, eine Einladung, um einreisen zu duerfen. Und so verwundert es vielleicht wenig, dass 1986 der damalige US-Praesident Ronald Reagen auf der Skywalker Ranch schlichtweg nicht empfangen wurde. Es ist hier halt wie in einem Staat, der keine diplomatischen Verbindungen zu den USA unterhaelt. Damit schafft sich der mittlerweile weiss-baertige Mann, der sich selbst als wohlwollender Despot bezeichnet, natuerlich viele Feinde. Zumindest glaubt er sich gelegentlich von solchen umgeben und sorgt im Zuge dessen dafuer, dass die Grenzen seines Reiches gegen Eindringlinge und Widersacher noch undurchlaessiger gemacht werden, als sie es ohnehin schon sind. Mit seiner Haltung hat er sich aber auch viele Freunde gemacht. Gleichgesinnte aus aller Herren Laender, die seinen Mut bewundern, sich als Rebell gegen hegemoniale Maechte gestellt zu haben und einen gesamtgesellschaftlichen Gegenentwurf zu herrschenden Formen des Zusammenlebens: Nein, nicht nur erdacht und umgesetzt zu haben, sondern auch ueber mehere Dekaden hinweg im Rahmen einer wirtschaftlich lukrativen Organisationsform kultiviert zu haben. Diese Bewunderer sind es, die dem Sonnenkoenig Auftrieb geben. Sie sind es aber auch, die eine Expansion seines Reiches befuerworten und aktiv daran beteiligt sind, seine Fantasie diesbezueglich mit zahlreichen Entwuerfen zu naehren. Sie wuenschen sich ein >Lucasland< herbei, dessen Einreisebedingungen durch einen isolationistischen Gesetztsrahmen nicht gemassregelt sind. Ja, sie fordern Expansion und Oeffnung zugleich. Das erinnert freilich an Japan, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Oeffnung seiner Grenzen mit einer imperialistischen Expansion im asiatischen Raum zu verbinden wusste. Doch befinden wir uns hier weder in Japan, noch in Kuba oder Libyen. Nein, das Tal, in das vor langer, langer Zeit der baertige Lucas zog, um seine anti-urbane Utopie zu verwirklichen, befindet sich circa eine Stunde Autofahrt entfernt von San Francisco...

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