S[enats]-Bahn?

Mein Grossvater erzaehlte mir immer wieder gern die Geschichte, dass sein Vater die Uhr einmal am Tag stellte: nach der Bahn. Und zwar nach dem D-Zug aus Koenigsberg, der puenktlich um vierzehn Uhr und drei Minuten am Bahnuebergang im Dorf zweimal laut pfiff. Nur einige Male im Schneewinter 1929, als die weisse Pracht so hoch lag, dass die Kinder sich Iglus bauten, kam er bisweilen zu spaet. Als ich ihm von vereisten Weichen bei knapp drei Grad Frost erzaehlte, sagte er: >Da muss der Streckenwaerter aber geschlafen haben!< Heute sind das nette, kleine Anekdoten - die Wirklichkeit in den widrigen Engen des Berliner Nahverkehrs sieht anders aus.

Seit fast zehn Monaten wankt die S-Bahn-Berlin GmbH von einer Pannenserie in die naechste. Entgleisende Zuege, gebrochene Radreifen, schadhafte Bremsen, gefaelschte Wartungsberichte, zweimal schon das ach so harte Winterwetter. Inzwischen stimmen nicht einmal mehr die Notfahrplaene. Angestellte wissen selbst nicht mehr, als die Anzeigen am Bahnhof hergeben. Die Zustaende für die Fahrgaeste gleichen denen in Entwicklungslaendern und nur die strenge Witterung scheint Wagemutige davon abzuhalten, auch noch auf den Daechern der Ring- und Stadtbahnen mitzufahren.

An wen flossen die Gelder, welche aus dem Unternehmen in den letzten Jahren heraus gespart wurden, fuer die engere Fahrplaene, hoehere Preise und laengere Wartungsintervalle notwendig waren? Fuer wessen Mehrwert kommen Tausende jetzt zu spaet ins Büro und die Fabrik? Da lobe ich mir den Vorschlag, der Senat solle die S-Bahn endlich selbst uebernehmen. Traurigerweise bleibt wohl nur der alte, pessimistische Grundsatz: Was der Gemeinschaft dient, darf keinen Mehrwert erwirtschaften, weil es sonst auf Kosten aller kaputt gewirtschaftet wird. Auch eine traurige Erkenntnis aus den gierigen 00er Jahren.

Ein Kommentar zu “S[enats]-Bahn?

  1. Die durch verlängerte Wartungsintervalle erwirtschafteten Gewinne sind in eine der Taschen des vom Privatisierungswahn besessenen Hartmut Mehdorn und seiner Verbündeten geflossen. Wer so mit Menschenleben spielt wie es bei der S-Bahn der Fall ist gehört m.E. eingesperrt.
    Der Senat übernimmt die S-Bahn – eine grandiose Idee

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