Sehnsucht nach Halli-Galli

In letzter Zeit beobachte ich, wie Schnelligkeit auf neue Weise missverstanden wird. [Sie werden sich erinnern, dass ich bereits letzte Woche zum Brauch des Gasgebens dozierte.] Mir begegnen in zunehmendem Masse [mit ß] und wohl auch in zunehmender Masse [ohne ß] Texte, die vermuten lassen, dass der Autor der Versuchung erlegen ist, eine Abkuerzung zu waehlen. Schnelle Texte, die auch schnell entstanden sind. Ich meine nicht schnell geschrieben, denn da gibt es viele flinke Federn in “unserem” Land, die keine Ladehemmungen kennen, die nur so spruehen. Nein, ich meine schnell gedacht.

Diese Texte zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich einfach und schnell lesen lassen. Aber ebenso zeichnen sie sich durch Gedankenarmut, grobe und groebste Gedankenfehler, bzw. Fehler in der Argumentation und Konzeption aus. Eine Begleiterscheinung: Was drauf steht, ist nicht drin. Ist dies der Einfluss der Blogs? Will sagen: Der Einfluss einer intellektuellen Ego-Shooter-Mentalitaet? Lospoltern! Drauflosdebattieren! Provokante Positionen beziehen! Der Modus: non-linear; heute Hueh und morgen Hot. Unverbindlich. Ironisch. Spontan. Ein bisschen daneben, auch geistig. Dabei ist Blogger-Larrifari vielleicht auch nur die letzte Aufklaerungssafari.

Unausrottbar glimmt die Sehnsucht nach Halli-Galli im Grosshirn der Gesellschaft. Motto: Die Dinge sind wie sie sind, man muss ihnen manchmal nur neue Namen geben. Man muss nicht alles hinterfragen. Dazu gehoeren auch bestehende Gemeinplaetze – links oder rechts gelegen. Statt sie zu hinterfragen, werden sie je nach Laune einfach ueber Bord geworfen. Ist die Gesellschaft dabei zu verbloeden? Oder einfach nur schneller geworden im Umgang mit unbequemen Themen? Motto: Abhaken. Abhaken. Abhaken. Intellektuelle To-do-Listen entstehen erst gar nicht. Texte, die sich keine Zeit nehmen mit Bedacht verfasst zu werden, foerdern diesen Trend erheblich.

2 Kommentare zu “Sehnsucht nach Halli-Galli

  1. Ich kann mit dir ja übereinstimmen, dass es einen Trend (wie auch immer man den auffindet) hin zur schnellen Bearbeitung von Themen gibt. Aber Du sprichst von den Bloggern, als gäbe es da eine homogene Masse (mit Doppel s) und einen bestimmten Stil. Dabei gibt es ja auch wissenschaftliche Bloggerinnen und Blogger, die nicht nur nabelbeschaumäßig drauflosballern. Ich glaube auch nicht, dass der Trend hin zur schnellen Verdauung unbedingt mit dem Internet zu tun hat. Verstopfungen (jetzt im Denken) sind auch generell nicht mehr angesagt, was man an den ganzen Ernährungsratgebern sehen kann.

  2. ich glaube mein beitrag ist nicht ganz so biererst, ein wenig ironisch, und der blogger wird hier etwas verallgemeinert und als stellvertertrer eines phänomens ins spiel gebracht, aber auch eher als frage und im hinblick auf eine mögliche mentalität, da mögen sich viele blogger nicht wiederfinden und vielleicht spielt es auch eher den vorurteilen über die blogs in die hände, aber es geht mir schon darum darauf hinzuweisen, dass eben diese attribute nicht nur auf die welt der blogs beschränkt bleiben, sondern sich (anders verpackt vielleicht) wiederfinden lassen in anderen medialen bereichen, in bereichen eben, in denen man sich sonst gerne abgrenzt gegenüber den blogs.

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