Mein Schlummertasten-Paradies

Ich sitze vor meinem Computer und prokrastiniere: ‘ne neue Benachrichtigung auf Facebook? Eine Antwort auf meinen Kommentar im Blog? Die neuesten Besucherzahlen meiner Website auf Google Analytics? Und huch, schon wieder ist es 20 Uhr. Zeit, die Nachrichten anzumachen. Füße hochgelegt und alles, was ich eigentlich erledigen wollte, auf den nächsten Tag verschoben.

Was ist Prokrastinieren eigentlich? Ist es eine Volkskrankheit? Ein studententypisches Phänomen? Ein Privileg? Eine Luxuserscheinung oder ein Indiz für Sitten- und Werteverfall? Ist es dekadent, zu viel Zeit zu haben? Bin ich dekadent, weil ich keinen Stress habe? Weil ich mir mittags den Fernseher anmache und danach zwei Stündchen schlafe? “Was sind denn das nur für Sitten?”, höre ich das Klischee einer älteren Dame zu mir sagen.

Ich höre Stimmen …

Die Option Aufgaben verschieben zu können – ist das vielleicht gar kein Privileg? Wenn Studenten wie ich engere Zeitpläne hätten, an die wir uns halten müssten, fiele uns so manches nicht wesentlich leichter? Andererseits müssten wir natürlich lernen, mit unserer Zeit umzugehen und sie sinnvoll einzuteilen. Eben anders als in der Schule, wo alles vorprogrammiert war. “Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!”, flüstert mir besagte ältere Dame ins Ohr.

Widme ich mein Leben dem Verfall, wenn ich erst um zehn Uhr aufstehe? Bei dem frühmorgendlichen Versuch die letzten Schlafstunden maximal auszureizen, ist die Schlummertaste mein bester Freund. Aber ist das nicht alles egal, wenn ich meine Termine einhalte, pünktlich bin, just in time arbeite? “Morgenstund’ hat Gold im Mund”, würde die alte Dame wieder sagen, mit einem nassen Waschlappen drohend.

… und die Bombe ticken

Ich leiste mir den Luxus blau zu machen, während die Zeitbombe tickt, erst wenn die Zündschnur brennt, lege ich los. Doch immer wieder höre ich diese Stimme: “Wenn du früher anfängst, bist du eher fertig. Und danach hast du frei! Und frei haben, heißt frei sein von Gewissensbissen, von Druck, von Angst vor dem Ergebnis. Denn dann bist du fertig!”

Aber was, wenn mir der so entstandene Druck in meinem Schaffensprozess hilft? Mich sogar anspornt? Ich frage mich, ob das Ergebnis tatsächlich besser wäre, wenn ich nichts aufschöbe, sondern meine Aufgaben immer sofort anginge. Wäre ich dann eher fertig? Oder würde ich nicht vielmehr die Zeit bis zum Abgabetermin ausnutzen um tagelang am Ergebnis herumzudoktern – und schließlich vielleicht doch unzufrieden sein? Bisher schaffte ich alles rechtzeitig, war mit dem Endergebnis zufrieden, stets fiel mir ein riesiger Stein vom Herzen. Trotzdem will ich das nächste Mal eher anfangen.

7 Kommentare zu “Mein Schlummertasten-Paradies

  1. ist das nicht alles eine frage des geldes? wenn ich nicht arbeiten müsste, dann würde ich meine zeit auch so einteilen, wie ich wollte. oder hast du durch prokrastnieren auch schon mal geld verdient? ;)

  2. Deswegen fragte ich mich ja auch, ob es nicht ein Luxus ist, prokrastinieren zu “dürfen”, ein Luxus, den ich mir als Student eben leisten kann.

  3. Da antworte ich als ehemalige Studentin, jetzt im Arbeitsleben: ja, es ist ein Luxus, den Du Dir zur Zeit noch leisten kannst – genieß es!

  4. Ich kann das alles nicht glauben… aber vielleicht passt deshalb ja auch der Titel… Paradies… das gibt es nur im Himmel und nicht auf Erden!

  5. Der Clip ist super. In einer Art abstrahierter Satire stellt er meinen Alltag dar ;-).

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