Russland-Romantik: Putin, Krim-Krise und die Mauer in unserem Kopf

Auch in der in der Krim-Krise zeigt sich: Die USA sind unsere Befreier und Russland hat eine Mauer in dieses Land gebaut – so könnte man unsere Einstellung gegenüber den Großmächten zuspitzen. Deshalb ist Putin ein “Brandstifter” und Obama ein Beschützer demokratischer Werte. Merkel übrigens auch. Die Berichterstattung der deutschsprachigen Medien untermauert all dies. Wie können wir da noch objektiv urteilen? Die Autorin Rebecca Barth kommentiert.

*

Seit einigen Monaten steht die russische Regierung wieder im weltweiten Fokus und genießt mediale Aufmerksamkeit. Besonders die olympischen Spiele in Sotschi wurden in der deutschsprachigen Presse politisiert und dementsprechend kritisiert. Nun, da sich die Lage auf der Krim immer weiter zuspitzt, richten sich wieder alle Augen der westlichen Welt auf Präsident Putin.

Der „Kremlherrscher“ und „Brandstifter“

Seitdem die Proteste in Kiew eskaliert sind, Präsident Janukowitsch geflohen ist und Russland mehrere Soldaten zusätzlich auf die Krim geschickt hat, überschlagen sich die Meldungen. Von einem „Einmarsch“ russischer Truppen auf der Krim ist zu lesen, der „Kremlherrscher“ und sein „Vasall“ Janukowitsch scheinen seit langem unter einer Decke zu stecken. Der Regierungswechsel in der Ukraine wird nicht selten als „Niederlage“ für den „Brandstifter“ bezeichnet, der „Einmarsch beim Brudervolk“ sei ein „skrupelloses geostrategisches Machtstreben“.

Bei einer derartigen Wortwahl kann man kaum von einer neutralen Berichterstattung, frei von Vorurteilen sprechen. Die Wortwahl alleine beeinflusst LeserInnen unterbewusst und so scheint die Sache aus deutscher Sicht klar. Janukowitsch und Putin, man nickt dankend ab, die machen eh gemeinsame Sache. Was soll man da groß erwarten? Passt ja auch ins Bild.

Doch auch an den Olympischen Spielen fanden überwiegend westliche Medien etwas zu mäkeln. Schon im Vorfeld wurde derart viel über Russlands Anti-Homosexuellen Gesetze und die Eingriffe in die Natur in Sotschi berichtet, dass man kaum noch unvoreingenommen an die Spiele herangehen konnte. „Die Art wie die deutschen Zeitungen über Putin und Russland schreiben, macht mich total wütend“, sagt Irina, Studentin aus Moskau. Sie hat den Winter über ihr Auslandssemester in Berlin verbracht.

„Ich verstehe nicht, warum so ein helles und schönes Fest wie die Olympischen Spiele zu den politischen Spielen Putins gemacht werden können. Man schreibt, dass Adelina Sotnikowa den ersten Platz gegen die koreanische Sportlerin nicht verdient hat, und dass Putin daran Schuld ist – sicher, wer noch?!“

Zwischen den Zeilen der Vergangenheit

Die Gorbimanie, die Euphorie in Deutschland über Perestroika und Glasnost, sind vielleicht der einzige Zeitpunkt in der jüngeren Geschichte, an dem positiv über Russland berichtet wurde. Dies war jedoch von kurzer Dauer.

In den 1990er Jahren unter Jelzin war das Russlandbild der Deutschen von einer bitterarmen Bevölkerung und einigen korrupten Oligarchen geprägt. Dann kam Putin und mit ihm der KGB. Kaum ein Artikel, in dem Putins Geheimdienstvergangenheit nicht mindestens erwähnt wurde. Das Russlandbild verschob sich wieder. Heutzutage wird über Demokratie und Menschenrechtsfragen berichtet, darüber wie Putin die Macht im Lande zentriert hat – über deren Hintergründe hingegen erfährt man kaum. Und dass George Bush Senior ebenfalls eine CIA-Vergangenheit hat, das stört auch nicht.

Putin brachte Ordnung in das Chaos, das Jelzin hinterlassen hatte. Unter Putin bildete sich langsam aber sicher eine Mittelschicht. Putin gab Russland seinen Stolz und sein Selbstbewusstsein zurück. Darüber findet man selten etwas in deutschsprachigen Medien.

Wie können wir jetzt noch urteilen?

Während „Putins Neoimperialismus“ die Ukraine „bedroht“, kämpfen westliche Mächte für Demokratie und Befreiung. Als es um einen möglichen Militärschlag der USA gegen Syrien ging, trieb dies hierzulande einige Demonstranten vor das Brandenburger Tor. „Ich will doch nur, dass die da Demokratie haben“, sagte eine Passantin damals in die Kameras.

Über das geopolitische Interesse der USA an Syrien wurde offensichtlich nicht ausführlich genug berichtet, so dass einige der Meinung waren, Russland würde die USA schon wieder daran hindern, Völker von deren Tyrannen und Diktatoren zu befreien. Aber das passt auch so wunderbar ins Bild. Assad, Putin, Janukowitsch. Man nickt dankend ab, die machen eh gemeinsame Sache. Was soll man da groß erwarten?

Wie können wir noch objektiv urteilen und kritisieren, wenn unser Russlandbild derart negativ geprägt ist? Und wozu führt eine derartige Berichterstattung? „Die ganzen Vorurteile über Russland und Russen sind für mich immer sehr unangenehm“, sagt Natalia Troshenkowa. Vor einiger Zeit zog sie aus beruflichen Gründen von Moskau nach Potsdam. „Putin mag zwar keiner in Russland – außer meiner Oma, die hat ihn sogar gewählt – aber nur wir sollten uns über ihn beschweren dürfen.“

Ein Informationskrieg à la Kalter Krieg

Die Berichterstattung in den deutschsprachigen Medien schürt Misstrauen und produziert Feindbilder. In alter Kalter-Krieg Manier sind die Russen die Bösen und die US-Amerikaner die Guten. Wir messen mit zweierlei Maß und können uns somit nicht davon freimachen, keinerlei Schuld an den kriselnden Beziehungen beider Länder zu haben. Mit seinem Amtsantritt im Jahr 2000 bekam Russland einen jungen, dynamischen und vor allem Deutsch sprechenden Präsidenten. Anstatt dies als Chance zu erkennen, beschränkten wir uns auf seine KGB-Vergangenheit. Heute werden wir von den US-Amerikanern überwacht und streiten uns auf der anderen Seite mit Russlands „Neoimperialismus“ herum.

Mit Blick auf die Krim-Krise sagt Slawistik-Studentin Darya Gomelskaya: „Der Krieg ist schon lange ausgebrochen. Es ist, zumindest zwischen Ukraine und Russland, ein Informationskrieg à la Kalter Krieg.“ Die deutschsprachigen Medien mögen in diesen Informationskrieg nicht direkt verwickelt zu sein. Trotzdem müssen wir uns die Frage stellen, ob die Russland-Berichterstattung hierzulande zur Verschärfung dieses medialen und medial geschürten Konflikts beiträgt.

Anm.d.Red.: Bei Natalia Troshenkowa hat die Redaktion den Namen geändert. Die Fotos stammen von Artur Potosi und stehen unter einer Creative-Commons-Lizenz (cc by 2.0).

9 Kommentare zu “Russland-Romantik: Putin, Krim-Krise und die Mauer in unserem Kopf

  1. danke, aber besonders eine Sache sehe ich sehr kritisch: „Putin mag zwar keiner in Russland – außer meiner Oma, die hat ihn sogar gewählt – aber nur wir sollten uns über ihn beschweren dürfen.“

    das ist so, als würde man sagen, über Homosexuelle dürfen sich nur Homosexuelle beschweren und über Mütter nur Mütter und so weiter.

    Das ist doch keine demokratische Diskussions- und Streitkultur.

  2. also das hilft wirklich weiter, denn die stark wahrgenommenen Medien in Deutschland machen es mir schwer, klar zu sehen, aber vielleicht sehen die das auch gar nicht als ihre wahre Aufgabe.

  3. @norbert: “Das ist doch keine demokratische Diskussions- und Streitkultur.”

    Da muss ich Ihnen teilweise zustimmen. Viele Russen, mit denen ich gesprochen habe, hier oder in Russland, äußern sich ähnlich. Ich empfinde es dies als eine Art Trotzreaktion, da sie oftmals das Gefühl haben aus dem Westen würde mit dem Finger auf sie gezeigt. Egal was sie tun, der Westen findet einen Kritikpunkt.

    Ich kann jedoch nicht beeinflussen, wie sich die andere Partei in einem Konflikt verhält. Ich kann immer nur mich selber beeinflussen und somit kann ich mich bewusst dafür entscheiden nicht mit zweierlei Maß zu messen. Die Einhaltung von Menschenrechten und auch die Diskussion darüber halte ich persönlich für sehr wichtig. Natürlich auch in Russland.

  4. @rb_flesstedt:
    Könnten Sie vielleicht genauer beschreiben, warum Sie die Kritik nicht ganz verstehen?
    Denn, um ehrlich zu sein, verstehe ich nicht ganz warum es als Politisierung der Spiele gesehen wird, wenn Kosak anstatt Tschernyschenko die Reden hält. Soweit ich bisher gelesen habe, hat er sich nicht politisch geäußert und das einzige was hierzulande geschrieben wird, ist, dass es von der Norm abweicht, dass ein Regierungsmitglied die Rede hält und das gleichzeitig mit den ersten Ergebnissen des Krim-Referendums.
    Kosak ist in der heutigen Ukraine geboren.

    Die paraolympischen Spiele wurden natürlich von den Vorgängen auf der Krim überschattet. Jedoch wurde schon lange vor Beginn der Spiele diese als “Putins Spiele” beschrieben und kritisiert, bevor in der Ukraine überhaupt irgendwer auf die Straßen gegangen ist. Man kann diese Spiele natürlich kritisieren. Ökologisch und auch im Hinblick auf demokratische Werte gibt es im Gastgeberland mit Sicherheit einiges zu diskutieren, aber Russland hat sich lediglich beworben. Für diese Spiele gestimmt hat jemand anderes.

  5. @R.Barth: danke für die Ausführungen, ich kenne mich ja weiter nicht aus, und Sie mögen im Detail Recht haben. Aber… ich denke, dass solche Mega-Event immer instrumentalisiert werden, denn sie bieten eben einen sehr “fruchtbaren Resonanzboden” für allemöglichen Interessen, die es sich leisten können, sich auf diesem Boden Zugang zu verschaffen, Wirtschaft, Politik, Militär, Russland, USA, China, etc.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.