“Rise of the Planet of the Apes”: Ein Cocktail aus Free Jazz, Anarchie und Morgendämmerung

Rupert Wyatts Spielfilm “Rise of the Planet of the Apes” bietet in seinen besten Momenten eine Mischung aus Free Jazz, Anarchie und post-apokalyptischer Morgendämmerung. Berliner Gazette-Herausgeber Krystian Woznicki schmeckt dieser energetische Cocktail.

Eine von Bäumen gesäumte Straße, die Baumkronen formen ein Dach, der Himmel ist nicht zu sehen. Eingetaucht in dieses lichtgrüne Schattenspiel bahnt sich ein Pickup den Weg entlang der Einfamilienhäuser. Wir befinden uns in einer Wohngegend, irgendwo in San Francisco. Zwei Paperboys, die hinten sitzen, werfen nach links und rechts Zeitungen aus. Sie sind auf ihrer allmorgendlichen Tour und bringen den Leuten die News. Über ihren Köpfen fängt es plötzlich zu rascheln an. Das Blattwerk vibriert immer stärker, einzelne Blätter lösen sich, schon bald prasselt es von oben wie bei einem Schneeschauer im Winter.

Die beiden Paperboys und der Fahrer des Pickups sowie einige Passanten erleben diesen Augenblick wie eine Art Naturwunder. So als rauschten die eigentlichen News über ihren Köpfen hinweg, ohne das sie in der Lage wären, sie zu lesen. Alles kommt zu überraschend und ohne wirkliche Erklärung, ihnen bleibt keine Zeit, um zu begreifen. Es ist einfach nur schön. Oder schauderhaft. Je nachdem.

Umwelt-Thriller: Kategorie “Tiere außer Kontrolle”

Diese Sequenz aus Rise of the Planet of the Apes gehört zu den lyrischsten Augenblicken der Kinogeschichte. Und es ist vermutlich das Schönste, was die Tradition des Umwelt-Thrillers in der Kategorie “Tiere außer Kontrolle” hervorgebracht hat.

Ich bin mit Filmen wie Jaws und Frogs aufgewachsen, in denen Tiere zurückschlagen, dort wo ihnen Menschen auf den Schlips treten – in ihrem eigenen Biotop. Doch einen besonders nachhaltigen Eindruck haben Bilder auf mich hinterlassen, die wilde Tiere im urbanen Umfeld zeigen. Unvergesslich sind für mich jene Momente in Twelve Monkeys, in denen ein buntes Ensemble von befreiten Zoo-Tieren durch New York läuft. Genau diesen Nerv trifft “Rise of the Planet of the Apes”.

Wenn sich die Affen in einer Besserungsanstalt mit einer futuristischen Medizin schlaudopen, um dann gegen die Menschen und ihre Zivilisation aufzubegehren, dann wird der Film zu einem energetischen Cocktail aus Free Jazz, Anarchie und post-apokalytischer Morgendämmerung.

Was wir aus King Kong kennen, vereint sich hier mit Vertrautem aus Birds: die Urgewalt des Dschungels entfesselt ihre Energie auf den Straßen einer Großstadt und sie kommt nicht allein, sondern, wie bei Hitchcock, als Horde. Es ist kein angsteinflößender Riese im schwarzen Fell, sondern eine raue, sich viral vermehrende Menge von Affen. Eine Verschiebung von Gorilla zu Guerilla, wenn man so will.

Chaos-Choreographie: Von Gorilla zu Guerilla

Angeführt werden sie von einem hyperintelligenten Mustergenossen namens Cesar. Er ist es, der sie über die Baumkronen aus der eingangs beschriebenen Szene führt. Er ist es, der sie anstiftet, Unruhe und Chaos zu verbreiten, aber auch dazu anhält, weitgehend auf Gewalt und Todesopfer zu verzichten.

Ihr Weg zurück nach “Hause”, hier ein Naturschutzgebiet, führt quer durch die ganze Stadt, über Dächer und Köpfe aufgeschreckter Bürger hinweg. Dann müssen sie nur noch die Golden Gate Bridge überqueren. Hier verdecken Nebelwolken den Himmel. Sie bieten Schutz und die perfekte Atmosphäre. Die Affenhorde unterbricht den Verkehrsstrom, Autos bleiben stehen, Menschen geraten in Panik und fliehen.

Der Film zeigt jetzt immer wieder Aufnahmen aus der Vogelperspektive. Hier oben, über dem unübersichtlichen Geschehen, dreht ein Polizeihubschrauber seine Runden. Scharfschützen haben Position bezogen. Ein Polizeiaufmarsch blockiert die Brücke, der Nebel verlangsamt die Action, wird zum Regisseur einer improvisierten Chaos-Choreographie. Allein dieser Bilder wegen lohnt es sich diesen Film zu sehen. Hier entlädt sich der angestaute Horror der Zivilisation nicht im Gemetzel, sondern in einem polyphonen Ausnahmezustand.

9 Kommentare zu ““Rise of the Planet of the Apes”: Ein Cocktail aus Free Jazz, Anarchie und Morgendämmerung

  1. Ui, dann scheint der wohl besser zu sein, als die Neuverfilmung des ersten Teils Mark Wahlberg – obwohl ich den bereits wohlwollend goutierte. Bin gespannt.

  2. ist natürlich alles relativ: ich bin mit geringen erwartungen ins kino gegangen und ich habe eine schwäche für “animalische anarchie”-choregraphien, aber der film ist sicherlich ein überdurchschnittlich befriedigender blockbuster.

  3. Vielleicht werde ich ihn mir doch mal angucken, scheint sich ja zu lohnen…
    Aber ich frage mich manchmal echt, ob es wirklich eines sich ” Schlaudopen” benötigt, damit sich die Tierwelt/ Affen gegen uns auflehnen…

  4. Bei der SZ kommt der Film gut weg: “Kinospektakel mit Tierpark-Erweckungserlebnis: Der Mensch hat seinen Untergang verdient – das will zumindest der Film “Planet der Affen – Prevolution” vermitteln. Ein intelligenter Affe kämpft in erstaunlichen Bildern gegen seine Unterdrückung und erreicht damit am Ende vor allem eines: Der Zuschauer gönnt seiner Art die Weltherrschaft.”

    http://www.sueddeutsche.de/kultur/planet-der-affen-prevolution-im-kino-guck-mal-was-der-affe-alles-kann-1.1130049

  5. Der Film fasziniert und er stellt ein Wechselbad der Gefühle dar. Als Betrachter ist man nie sich ganz sicher inwieweit man seine eigene Spezies und ihr Agieren, oder das immer weiter vermenschlichte Handeln der Tiere , das einem ach so bekannt erscheint, gutheißen kann. Man erkennt im Handeln der Tiere den Menschen wieder, der sich skrupellos an der “scheinbar” Kreatur vergeht.
    Hinter diesem Film steht für mich die Erkenntnis, dass Menschen eben auch nur Ideen entwickeln können, die Menschliches schildern. Deshalb geschieht auf dem Planet der Affen letztendlich nur das, was auch auf dem Planet der Menschen auch passiert. Sehen wir uns nur um.

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