Regieren im Bildraum

Tom Holerts neues Buch >Regieren im Bildraum< hat eine aehnliche Entstehungsgeschichte wie Diedrich Diederichsen >Kritik des Auges<. Es besteht ebenfalls aus Schriften, die in den letzten zehn Jahren in unterschiedlichen Kontexten entstanden, zu unterschiedlichen Phaenomenen der visuellen Kultur.

Die Anregung der Verleger daraus ein Buch zu machen, hat der Autor zum Anlass genommen, alles noch einmal zu ordnen, zu ueberarbeiten und als kompakte Essaysammlung auszugestalten, die auf ein Ziel/eine Frage hin ausgerichtet ist. Es geht Holert darum, die junge Wissenschaft der Visual Culture Studies zu vermessen, jedoch nicht mit einer Super-Theorie, stattdessen mit Einzelbetrachtungen und Fallstudien.

Holert widmet sich vor allem dem nicht Nichtsubsumierbaren, stets auf der Suche nach einer erhoehten Tiefenschaerfe. Die gemeinsame These der Texte ist, dass der >kommunikative Gebrauch von Bildern und Bildlichkeit ein Raum politischen Handelns und Verhaltens ist<. Ausgehend davon geht es um so unterschiedliche Phaenomene und Probleme wie >Bild-Ereignisse<, >getragene Bilder< [auf Demonstrationen und Kundgebungen], >Ueberzeugungsarbeit in der visuellen Kultur<, >Produktion des politisch-militaerischen Subjekts<, Geschichtsschreibung via Bilder, >Erscheinung und Verschiebung des Dokumentarischen<, >Wahr-Sehen<, >ueberwachte Koerper und Koerper der Ueberwachung< und zuletzt um >Uniformen, Saerge und Geschlechter<. Holerts Welt steht im Zeichen von Panopticon und Google. Er blaettert in Magazinen, surft im Internet, schaut Fernsehen und geht ins Kino, immer auf der Suche nach der Umbruchstelle an der Bilder zu Informationen werden und Informationen zu Bildern. Wer die Nahtstellen zu lesen versteht, liest nichts anderes als das Gewebe der Welt: >Das Visuelle suggeriert und realisiert Verknuepfungsoperationen; es vermittelt zwischen Dingen und Gedanken, zwischen Materiellem und Immateriellem.< Bagdad, Rangun, Kiew und Beirut, Nah- und Fernaufnahmen, Moodboards und Fotos des Schaedelinneren eines vermeintlich allmaechtigen Politikers - alles muss ausgeleuchtet werden. Die Logik der >paranoid verdunkelten, unverstanden-unverstaendlichen Black-Box-Welt< untersucht Holert im Hinblick auf Bauprinzipien, Konstituenten und Ideologien unter anderem am Beispiel des Irak. Detail- und kenntnisreich faechert der Autor das historische und geopolitische Klima des Embargo-Irak der juengsten Gegenwart auf. So liest sich >Regieren im Bildraum< nicht nur wie eine sowohl wissenschaftlich als auch theoretisch ambitionierte Probebohrung in Sachen visuelle Kultur, sondern auch wie ein Geschichtsbuch, das die Tickermeldungen, Schlagzeilen und Informationsstoerme seit dem Anschlag auf das World Trade Center auf ihre visuelle Logik hin ueberprueft. Denn wie Holert im Anschluss an Walter Benjamin in Erinnerung ruft: Geschichte zerfaellt in Bilder. Die Frage ist: Lassen wir uns von ihnen regieren oder regieren wir im Bildraum? Wirken Bilder befreiend oder fesselnd? Die Staerke des Buchs liegt nicht zuletzt darin, die Ambivalenzen des Bildraums herauszuarbeiten. Immer wieder verweist Holert darauf, wie hauchduenn die Trennlinie zwischen den Zustaenden, wie ununterscheidbar sie bisweilen geworden sind. In diesem >totalen Zusammenhang der Kulturindustrie, die nichts auslaesst<, fragt er kontinuierlich nach Moeglichkeiten des Politischen.

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