Recht auf Reality

>Al Qaida hat Deutschland den Krieg erklaert< stand vor kurzem auf dem Cover der B.Z. zu lesen. Ein wenig spaeter wartete der Spiegel mit einem ergaenzenden Titel auf und nahm die deutsche Zweigstelle von Usama Bin Ladens Terrornetz ins Visier. Ob andere Industrie-Nationen ebenfalls mit solchen Meldungen berieselt werden?

Als multinationale Holdinggesellschaft, die ihre >Geschaefte< im Weltmassstab plant, waere das denkbar: Al Qaida Inc. in Schweden, Neuseeland, Frankreich, Suedafrika und Japan. Das Netzwerk ist ueberall. Vertreter dieser teuflischen Organisation sind selbstredend unter uns. Wo? Das Netzwerk ist unsichtbar. Wenn wir sie zu Gesicht bekommen, dann ist es meistens zu spaet. Todesgruesse, Bekenntnise und Hiobsbotschaften im Videoformat. Al Qaida MTV: Das Netzwerk ist eine mediale Inszenierung. Kurz: Wir koennen es nicht greifen, doch sollen wir es als schlimmste Bedrohung seit der Atombombe begreifen. Das klingt heavy. Ist es das auch? Wie fuehlen wir uns angesichts eines solchen Drohszenarios? Jetzt, mehr als ein halbes Jahr nach den >Ereignissen<. Wie laesst sich das Lebensgefuehl im Schatten des Krieges gegen den Terror in Worte fassen? Eigentlich muesste man total eingeschuechtert durch die Gegend laufen. Gebueckt, vorsichtig, misstrauische Blicke, nach links und rechts werfen. Das tun wir aber nicht. Schliesslich wurden in Windeseile neue Gesetze erlassen, Rasterfahndung zugelassen, etc. Wir wissen, dass in den meisten Faellen gegen Grund- und Buergerrechte verstossen wurde. Doch auf die Barrikaden gehen wir nicht. Irgendwie scheinen uns diese doch so voller Pathos an die ganz grosse Glocke gehaengten Dinge unberuehrt zu lassen. Wir jammern lieber ueber Geld und den Paradigmenwechsel names Euro. Die Rezession haelt uns busy. Da muessen die Terrornachrichten mittlerweile schon richtig originell sein, oder sie muessen mit rigorosem Druck auf unsere eigenen vier Waende projiziert werden, wenn sie uns interessieren wollen. In diesem Fall sind sie Unterhaltung. Bestenfalls ueben uns die Meldungen von Anschlaegen in Nord-Afrika, von Razzien in Pakistan und Gerichtsprozessen zwischen Washington und Frankfurt in Geografie. Vor dem geistigen Auge entsteht eine neue Weltkarte. Neu insofern, als dass die unter die Lupe genommenen Punkte [Djerba?] bislang eher zur Peripherie unseres Aufmerksamkeits-Horizonts gezaehlt werden konnten. Nennen wir es Edutainment. Wir haben uns also von den Medien rekrutieren lassen. Ohne uns dessen wirklich bewusst zu sein, warten wir darauf, dass es endlich richtig losgeht. Im groesseren Stile. Denn, dass dieses Dauergeplaenkel uebermorgen nicht schon wieder vorbei sein wird, das wissen wir. Der Krieg gegen den Terror ist im Grunde ewig. Nicht umsonst sprechen Experten von einer Neuauflage des Kalten Krieges. Wir lassen uns also auf die Folter spannen; wir befinden uns im >Wartestand< [Holert]. Die ersten haben auch schon damit begonnen, dieses Lebensgefuehl geniessen zu lernen, andere malen sich apathisch den naechsten Knall aus. Wer also jetzt nicht dezidiert sein Recht auf Reality einfordert, dem ist einfach nicht zu helfen.

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