Quickies mit Lernerfolg

Wer so ein zeitaufwaendiges Projekt angeht wie das Erlernen einer Fremdsprache gehoert schon laengst zum alten Eisen. Man traegt dem Wissbegierigen seine Ineffizienz nach und fragt: Ja und? Willst du jetzt auswandern oder was? Das woechentliche Treffen zum Mandarinkonversieren in der Volkshochschule sei doch dem Leben so fern wie die Doenerbude von einer authentischen tuerkischen Mahlzeit.

Diesen latenten Noerglern hat sich die sprachverwertende Industrie angenommen: >Die 1000 wichtigsten Woerter: Lust und Liebe< [PONS] bewahrt vor intellektueller Erschoepfung und unangenehmer Flaute wahlweise am spanischen Strand oder auf dem amerikanischen Pickup. Wo >Mit Ovid durch alle Liebeslagen< [auf Latein] angewendet werden soll bleibt nebuloes. Glasklar ist jedoch: Sprache wird zum Buffet, mit dem jeder nach eigener Facon gluecklich werden soll. Eventuell stoerendem Wortballast wird von vornherein der Garaus gemacht. Der Sprachkurs >Tuerkisch schimpfen< vom Eichborn Lido Verlag schliesst an diese Entwicklung an. In 30 Minuten will er uns Ruesten fuer die Risiken eines Tuerkeiurlaubs - von der Ueberforderung beim Tuerkenbazar bis zur Abscheu ueber die Hotelbetten [>Sind die Matratzen noch aus dem Osmanischen Reich?<]. In jeder Situation lernen wir, wie wir unserem Aerger auf Tuerkisch Luft machen. Da die sehr markant eingesprochenen tuerkischen Schimpfwoerter und -saetze keine textuelle Entsprechung im Booklet finden, verstehe ich am Ende jedes zweiten Satzes >dionysus< - was mich gedanklich wahlweise zu meinem Saurierkindermemory oder zum Lokal um die Ecke fuehrt. Dennoch: Tuerkisch schimpfen ist amuesant. Nicht zuletzt auch aufgrund der Tatsache, dass die wahren Beleidigungen [Fettarsch! - koca goet] in alphabetischer Woerterbuchmanier im Booklet aufgefuehrt sind, waehrend sich die gediegenen Varianten [Schmierenkomoediant!] nur im Gelesenen finden. Die eingesprochenen Texte sind kurzweilig und die Situationen duerften bei gepeinigten Tuerkeiurlaubern einen hohen Wiedererkennungswert besitzen. Als Appetitanreger funktioniert >Tuerkisch schimpfen< vorzueglich – und fuer wahre Sprachenthusiasten erfolgt der Hauptgang anschliessend an der Volkshochschule.

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