Im wuchernden Programm-Dschungel werden digitale TV-Assistenten immer wichtiger

Das Fernsehprogramm wird immer schlechter. Sagt man. In Wirklichkeit nimmt das Angebot zu. Auch an neuen Hoffnungsträgern mangelt es nicht. Nein, nicht Qualität ist das Problem, sondern Orientierung. Berliner Gazette-Redakteurin Sarah Curth zeigt, wie digitale TV-Assistenten dem Jammern ein Ende machen.

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Das Fernsehprogramm in Deutschland ist gar nicht so schlecht, wie wir glauben, so ein aktueller Artikel auf zeit.de. Es sei an der Zeit mit dem Jammern über die vertrocknende Fernsehlandschaft aufzuhören. Hier und da sprießen zarte Blüten, deren Schöpfer wahnsinnig genug sind, das Fernsehen neu zu denken – trotz Quotendruck. Doch wo sind die zu finden? Im Schatten der großen Sender, auf Programmplatz 142. Nicht Qualität ist also das aktuelle Problem. Sondern Orientierung.

Zu den neuen Hoffnungsträgern der TV-Landschaft gehören beispielsweise Katrin Bauerfeind, Charlotte Roche und Jan Böhmermann sowie Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt. Doch ihre Sendungen laufen nicht zur Primetime auf RTL & Co. Sondern auf den versteckten, digitalen Töchtern des ZDF, ZDFkultur und ZDFneo. Nur wenige gewagte Formate, wie Oliver Welkes heute show, schaffen es ins Rampenlicht der großen Sender. Doch dort werden sie oft in die späten Abend- und Nachtstunden verbannt. Genauso auch der gute alte Spielfilm, den man beim Zappen um 20:15 Uhr vergeblich sucht.

Das Internet als neue Röhre

Zwar kann man dann seinen Video- oder Festplattenrekorder programmieren, um sich die Sendung zu menschlichen Zeiten anzusehen. Doch dafür muss Mensch erstmal wissen, was, wann und wo läuft und ob es sich lohnt. Bis vor ein paar Jahren war die Fernsehprogrammzeitschrift ein Muss, eine TV-Bibel, ohne die man verloren war. Entweder man begnügte sich dabei mit kostenlosen Tageszeitungsbeilagen wie prisma oder man hatte Eltern, die sich den Luxus eines TV Spielfilm-Abos leisteten. Darin gab es TV-Tipps, Inhaltsangaben, eben das ganze Programm. Heute liegen Hörzu & Co. nur noch bei Oma auf dem Couchtisch.

Nachtschattensender und interessierte Zuschauer beginnen jedoch, Lösungen zu finden und anzubieten. Da die Sender nicht mehr darauf angewiesen sein wollen und können, gefunden zu werden, muss das Internet als neue Röhre fungieren. Vor allem die Öffentlich-Rechtlichen bieten in ihren Mediatheken fast alle Sendungen nach Ausstrahlung kostenlos und in voller Länge an. Sendungen wie Roche & Böhmermann gibt es sonntags, 22 Uhr auf ZDFkultur und online sogar schon einen Tag früher.

Selbst die Macher neuer, “versteckter” TV-Diamanten empfehlen den Zuschauern online zu gucken oder die DVD zu kaufen. So geschehen als die Schauspieler und Autoren Carsten Strauch und Rainer Ewerrien bei TV Total ihre neue Comedy-Serie Götter wie wir vorstellten, deren sechs Folgen sonntags um 23 Uhr auf ZDFkultur, im Anschluss an Roche & Böhmermann, laufen. Stefan Raab schaute belustigt, als er von Ewerrien erfuhr, dass er diesen Sender nicht mal empfange. An diesem Auftritt bei Raab lag es wohl auch, dass die erste Folge mit 150.000 Zuschauern überdurchschnittlich viele im Vergleich zu anderen ZDFkultur-Sendungen erreichte.

Soziale Guides führen uns durch den TV-Dschungel

Um überhaupt erstmal auf solche Sendungen aufmerksam zu werden, brauchen wir, als “TV Spielfilm”-Abstinenzler, definitiv neue Guides. Das können nur unsere Freunde oder die Crowd sein. Wenn wir uns nicht gerade oft mit unseren Freunden über das Fernsehen unterhalten, können Soziale Netzwerke helfen, die im Zuge des Social TV neue Bedeutung erlangen. Drei Berliner machten in Deutschland den Anfang mit tweek. Der Social-TV-Guide für den Second Screen – leider bis jetzt nur auf iPad und iPhone – empfiehlt dir die Filme und Serien, deren Seiten deinen Freunden bei Facebook gefallen. Das kann man zwar auch auf Facebook sehen, wird aber in der App komprimiert verpackt.

Wenn ich wiederum in der App Sendungen like, erhalte ich basierend darauf weitere Empfehlungen von tweek. Dazu kann ich Watchlisten erstellen, damit ich die Filme, die ich sehen will, nicht vergesse. tweek zeigt dir auch gleich, ob und wann die Sendung demnächst im TV läuft. Zusätzlich listet es dir auf, wo du sie kostenlos in einer Mediathek oder kostenpflichtig als On-Demand-Streaming bei iTunes oder ähnlichen Anbietern findest. So lange es in Deutschland noch keine allumfassende Online-Videothek gibt, wie beispielsweise in den USA den Flatrate-Streaming-Dienst Netflix, ist das eine nützliche Hilfe. Dazu gibt es separat einen TV-Guide, der dir das aktuelle Programm anzeigt und Empfehlungen zu Spielfilmen oder Late-Night-Sendungen gibt. Wer keinen Fernseher hat, kann direkt zu einer anderen App wechseln, die mobil Fernsehen ausstrahlt.

Angebote wie TV-Mediatheken und Social TV Guides zeigen, dass das Internet nicht das klassische Fernsehen ablöst, sondern TV und Internet immer mehr miteinander verschmelzen, indem sie jeweils auf das andere Medium verweisen. Du hast die Nase voll von Supertalent und den Geissens? Dann lass dir online von deinen Freunden zeigen, dass es sich lohnt, Sonntag Abend ZDFkultur einzuschalten. Du hast ZDFkultur nicht? Dann schau online in die Mediathek! Zu unserem bisherigen Fernsehverhalten “Zapp oder stirb!” gibt es endlich eine Alternative.

Anm.d.Red.: Mehr zum Thema in unserem Dossier Fernsehen 2.0. Das Foto oben stammt von Guillaume Loraine und steht unter einer Creative Commons Lizenz.

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