Probleme mit TED: “Zukunftsvisionen – die höfliche Art etwas über die Gegenwart zu sagen.”

Die TED (Technology, Entertainment, Design)-Konferenz ist vor allem für ihre Vorträge bekannt. Unter dem Motto “Ideas worth spreading” sind diese kostenfrei im Internet zugänglich und sehr populär. Die Vorträge sind kurz und präzise und ermöglichen den ZuschauerInnen einen schnellen Einstieg in ein Zukunftsthema. Kritische Stimmen gegen das erfolgreiche Format werden in letzter Zeit immer lauter. Die Netz-Aktivistin und Berliner Gazette-Autorin Jilian C. York kommentiert.

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Eigentlich ist TED großartig. Wenn ich Rebecca MacKinnons komplexes Buch Consent of the Networked erklären möchte, muss ich einfach nur den Link zu ihrem Vortrag angeben, in der sie das Konzept kurz und präzise darstellt. Wenn ich einen schnellen Einstieg in ein mir unbekanntes Thema möchte, muss ich nur den geeigneten TED-Vortrag ausfindig machen. Ich lerne dabei immer etwas und ich bin fasziniert und zufrieden mit der Art, wie die Vorträge online zugänglich gemacht werden. Und – natürlich – mit der harten Arbeit der Übersetzer.

Ich habe selber letztes Jahr auf der TEDx-Veranstaltung TEDxPoynter einen Vortrag gehalten. Vorträge halte ich allgemein viele, aber was mir an diesem besonders gefallen hat waren die Freiheiten (Ich konnte eine neue Rede über ein witziges Thema schreiben! Endlich!) und Einschränkungen (15 Minuten, Folien erforderlich). Ich habe darüber gesprochen, wie Social Media uns die Möglichkeit verschafft „to talk back to talking heads”. Es war der Hit!

Kritik an TED wird lauter

Allerdings empfinde ich einige Dinge, die TED repräsentiert, als unangenehm: Wohlstand, fader Silicon-Valley-Narzissmus, Kapitalismus. Und außerdem das Auftreten der Organisation: Sie hat beispielsweise das Video des Vortrags von einem Freund auf der Hauptbühne zensiert, sie berechnet 6000 US Dollar für ein Ticket, sie nutzt freiwillige Übersetzer, obwohl sie eine wohlhabende Non-Profit-Organisation ist.

Obendrein wird TED von vielen aus meinem Umfeld uneingeschränkt gelobt: Die Schule, die ich letztes Jahr besuchte, THNK, redet über TED, als sei es der heilige Gral der Speaker Events, das be-all & end-all für Personen des öffentlichen Lebens. Dem widerspreche ich! Ich spreche auf mehr als 20 Veranstaltungen im Jahr und kann Ihnen versichern: die meisten machen mehr Spaß! Und wenigstens die Hälfte bezahlt mich auch für meine Zeit.

Glücklicherweise bin ich nicht die Einzige, der dies aufgefallen ist. In den letzten paar Monaten ist eine ganze Flut von Arbeiten erschienen, die man nur als Anti-TED bezeichnen kann. Zuerst gab es eine TEDx Diskussion über all das, was falsch läuft mit TED. Angefangen mit der Frage „Hast du dich je gefragt, warum die strahlenden Zukunftsideen aus TED-Reden nie wahr werden?“ zerschmettert Benjamin Bratton das Konzept der Organisation. Das Video dazu ist absolut sehenswert, Bratton eröffnet seinen Talk mit den ironischen Worten: “Zukunftsvisionen – das ist die höfliche Art etwas über die Gegenwart zu sagen.”

Kern der Diskussion: „TED steht für Technologie, Bildung, Design. Für mich steht TED für „Middle-brow, Megachurch Infotainment”

TED: Vorträge der leeren Worte

Im Oktober veröffentlichte das Netz-Magazin Salon einen vernichtenden Beitrag mit dem Titel: TED Talks are Lying To You. Kernaussage hier: Diejenigen, die uns drängen “anders zu denken”, in anderen Worten „umzudenken“, machen das selber fast nie.

Jahr für Jahr werden neue Teilbereiche in diesem unveränderten Genre produziert und konsumiert. Kreativität, das sagen sie uns alle, ist zu wichtig, um den Kreativen überlassen zu werden. Ob wir erfolgreich sind oder nicht, das hängt von uns ab.

Und mit Hilfe von vorsichtigen Studien und knallharter Wissenschaft – sagen wir, MRT-Bilder vom Kopf eines Jazz-Pianisten – können wir den Code der Kreativität verfolgen und seine Geldreproduziermaschine entfesseln.

Redner sollten entlohnt werden

Frank Swain stellt in seinem Beitrag für Medium, in welchem er bevorzugt die ökonomischen Streitfragen, die dem TED Model inhärent sind, anspricht, klar, warum er keine Reden für TED halten möchte.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihm zustimme, TEDx Ticketkäufe zu vermeiden. Denn Tickets zu diesen Events sind oftmals kostenlos und verbreiten das TED-Konzept (welches, und hier stimme ich Bratton zu, problematisch ist) über den ganzen Erdball.

Und nicht zu vergessen: Brattons Vortrag ist selber ein TED-Vortrag und zweifellos effektiv. Nichtsdestotrotz, muss ich auch Swain zustimmen, wenn er schreibt:

“Der Einwand, dass TED eine Non-Profit-Organisation sei kauf ich ihnen nicht ab. Ich bezweifle, dass dies sie davon befreit die Techniker, Kameramänner, Saalmiete und das Catering zu bezahlen. Warum diese Leute bezahlen aber nicht die Redner? Nur weil du eine Non-Profit-Organisation bist, bedeutet das nicht, dass ich auch eine sein muss!”

Anm.d.Red.: Das Foto oben stammt von Ted X Sommerville und zeigt eine Performance auf den TED Talks im Jahr 2012. Es steht unter einer Creative Commons Lizenz.

2 Kommentare zu “Probleme mit TED: “Zukunftsvisionen – die höfliche Art etwas über die Gegenwart zu sagen.”

  1. TED ist oberflächliches gelaber* und make-believe-wissen*, wenn ich unbedingt geld ausgeben will geh ich zu den vorträgen in der urania oder VHS ansonsten bietet jede uni ringvorlesungen an, die sind umsonst, wissenschaftlich tiefgründiger erforden aber auch etwas hintergrundwissen, nur hip sind sie nicht.
    *jedenfalls die die ich gesehen habe, was nicht heißt dass die vortragenden schwindler sind, die ganze organisation schon eher.

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