Bürgerinitiativen sprießen im Prenzlauer Berg wie Limonaden-Marken aus dem Boden – wofür?

Im Prenzlauer Berg sprießen Bürgerinitiativen genauso schnell aus dem Boden wie neu erfundene Limonaden-Marken. Doch wofür kämpfen sie eigentlich? Berliner Gazette-Chefredakteurin Magdalena Taube hat sich in ihrer Nachbarschaft umgeschaut.

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Sattes Grün, schlichtes Design, klare Aussage. So präsentiert sich Oderberger.org: die Webseite zu der Bürgerinitiative, die am Prenzlauer Berg die Oderberger Straße vor der Entgrünung retten will. Ich klicke mich durch die Seite, stoße auf sympathische Aufrufe zum Co-Beeten, nette Slogans, die mit der Konjunktion “oder” spielen (“oder barfuss”, “oder schön”) und viele gut verpackte Infos zur Straße.

In der Blogroll finden sich etwa 20 weitere Initiativen, die irgendwas retten, bewahren oder bepflanzen wollen. Von einer Kampagne zur Rettung der Kastanienallee (Stoppt K21!) hin zu Rettet den Eckspielplatz. Übersichtliche und einladende Webseiten im Blog-Stil. Und all das für eine gute Sache. Oder?

Hinterhofparadies: Aber nicht für alle

Der Fall Oderberger Straße zeigt, dass die Lage vielschichtig ist. Wer kämpft eigentlich wofür und mit welchen Mitteln? Zwischen der Oderberger und zwei angrenzenden Straßen liegt der Hirschhof. Eine Hinterhof-Oase, die in den 1980er Jahren von DDR-BürgerInnen angelegt wurde, ein Community Garden, der rasch zum Treffpunkt der DDR-Opposition wurde.

Bis vor kurzem war der Hirschhof mehr oder weniger öffentlich zugänglich – über Hauseingänge und ein offenes Tor am benachbarten Spielplatz. Im September 2011 haben jedoch AnwohnerInnen haben mit Erfolg erklagt, den Garten nur für sich nutzen zu können. Der Zugang über den Spielplatz ist inzwischen zugemauert. Das Bezirksamt von Pankow will die private Nutzung nicht hinnehmen – es war von Enteignung die Rede. Das Amt sieht in dem Hof einen geschichtsträchtigen Ort, der allen Menschen zugänglich sein sollte.

Für wen kämpft die Bürgerinitiative Oderberger Straße?

Auf oderberger.org erfährt man über die heikle Situation nichts. Dort wird zwar die “aktuelle Planung zum Hirschhof” vorgestellt. Doch im Grunde geht es hier nicht um den inzwischen privatisierten Hof. Sondern nur um das Areal, das als öffentlicher Spielplatz genutzt werden soll und derzeit unter der Einbeziehung der Anwohner komplett saniert wird.

Rettung vor der Entgrünung der Straße, Kämpfen für die Privatisierung des Hofs und die gemeinschaftliche Konzeption eines öffentlichen Spielplatzes – am Hirschhof passiert all das parallel. Nur wie passt es zusammen? Kann es sein, dass jene Bürger, die nach vorn eine vorzeigbar-grüne Straße “mit Flair” erstreiten, nach hinten raus vor Gericht ihre Ruhe erkämpfen? Und zur Seite hin für das Wohl aller Familien basisdemokratisch gemeinschaftlich gärtnern? Reicht eine hübsch gestaltete Website aus, um die Widersprüchlichkeiten der Wutbürger zu übertünchen?

Anm. d. Red.: Das Bild oben zeigt ein Detail aus der aktuellen Planung zum Hirschhof-Spielplatz. Der Plan ist auf oderberger.org abrufbar.

11 Kommentare zu “Bürgerinitiativen sprießen im Prenzlauer Berg wie Limonaden-Marken aus dem Boden – wofür?

  1. manoman, diese Leute! ein, zwei Webdesigner im Haus und schon geht es los mit der Bewegung für mehr Bürgerrechte und so.

    “Reicht eine hübsch gestaltete Website aus, um die Widersprüchlichkeiten der Wutbürger zu übertünchen?”

    kommt drauf an, wer drauf guckt. Das zeigt auch der Artikel, mir zumindest, also: Normalstrebliche werden die Widersprüche nicht sehen. Erst wer zweil, dreimal gukct…

    Aber: Transparente im Netz oder an Balkonen von renovierten Eigentumsheimen — das sollte jedermann und jederfrau in Zukunft stutzig machen.

    Verorschen konn i mi olen.

  2. protest, das ist so ein thing, anyone can do it, und alle können es als eine wichtige, richtige sache aussehen lassen – anyone: spießer, lifestyle-nazis, echte nazis und die beloved neighbors aus dem bio-supermarkez. du musst echt genau hinaunschaun!

  3. Das ist die neue grüne Mitte. Spießig & opportunistisch. Hochglanz Altbausaniert aber bitte mit Bio-Farben. Was irgendwann bleibt ist ein toter Randbezirk. Aber das bringt eine Großstadt eben so mit sich. Bezirke und Stadtteile verändern sich. Zum Glück bietet Berlin noch genügend Ausweichmöglichkeiten.

  4. ich finde man muss differenzieren: Der Beitrag bietet bestenfalls eine skizzenhafte Anregung zur Zeitgeist-diagnostischen Erforschung des Phänomens und deshalb sind Verallgemeinerungen an dieser Stelle ein wenig Fehl am Platz; worum es in erster Linie und vor allem geht ist doch ein Fall: der Hirschhof. Und daran zeigt sich offenbar nicht zuletzt: das Leben ist widersprüchlich – was auch wahrhaftig bedeutet.

    Nach vorne so, nach hinten so, zur Seite so. Ja, warum auch nicht. Wenn es dafür trifftige Gründe gibt. Die Vielseitigkeit, nennen wir das mal so, ist eigentlich bemerkenswert – verlogen wirkt sie erst dann, wenn nicht alles transparent gemacht wird, wie hier der Fall. Deshalb müssen wir wohl oder übel darüber reden.

  5. @krystian w.: entschuldigung, was meinen sie? das ist doch offensichtlich doppelmoral! und außerdem: der öffentliche ort (ja, ich spreche vom hirschhof) hat eine geschichte und gehört schon allein deshalb in die öffentliche hand!

  6. @#6: ich bin auch grundsätzlich dafür, öffentliche orte zu erhalten, keine frage.

    ich habe allerdings nicht aus der sicht der öffentlichen hand, sondern aus der sicht der mieter formuliert: ich kann es durchaus nachvollziehen, dass diese privatistischen gelüste einerseits hat und jene basis-demokratisch gemeinnützigen ambitionen andererseits – und beides in einem vielschichtigen leben miteinander zu “vereinen” versteht. immer hin hat man es mit der oderberger str mit einer ausgeh-meile zu tun – und ein wenig ruhe wünschen sich irgendwann doch alle, oder?

    natürlich, die transprarenz-fragen bleiben (siehe obnen)

    die frage, die man darüber hinaus diskutieren könnte:

    was wäre, wenn (wieder aus der sicht der aktuellen mieter) der hirsch-hof öffentlich bliebe? was für vorteile würden entstehen?

  7. @belami #1: Was genau meinst du damit: “Transparente im Netz oder an Balkonen von renovierten Eigentumsheimen — das sollte jedermann und jederfrau in Zukunft stutzig machen.”

  8. @krystian woznicki #7: Für die aktuellen Mieter entstünden dadurch meines Erachtens gar keine Vorteile – das Gericht hat ihnen ja auch deshalb recht gegeben, weil sie den hof als Garten jeweils mitgekauft haben, es ist also keine öffentliche Grünanlage. Aus der Sicht der aktuellen Mieter kann ich es absolut verstehen, dass sie das für sich haben wollen. Andererseits muss ich denken: Wenn ich mir für sehr viel Geld eine Wohnung + Garten kaufe, dann recherchiere ich vorher schon, was es mit dem Ort auf sich hat. Die Leute sind ja da vermutlich nicht eingezogen, ohne zu wissen, was die Geschichte des Hirschhofs ist. Dass es einen Aufschrei geben würde, wenn man den Ort plötzlich komplett privat hält, kann man schon vorhersehen, denke ich.

  9. tja wat sich für die mieter verändert wenn der hof öffentlich ist ist das sie ewentuel ein Teil ihres umfeldes werden könnten verantwortung in einer großstadt für sein dierektes umfeld.
    ausgeh meile? es war die hochburg der bases democratie
    und wenn mann sagt sie haben den hinterhof miterworben beim kauf frage ich mich wie mann öffentliche spielplatz finazierungen mit erwerben kann unabhängig vom uhreigentümer gab eine klare nutzungsrechtlinie.alles für die katz wenn wir wegziehen und nicht das know-how was auf der strasse liegt nutzen die köpfe und lagerhallen sind voll mit zeug was jeder will aber keiner brach last es uns nutzen ein TISCH und wir führen die MUNDO’s ein und euoro schaffen wir ab.

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