Feueraxtritter vs. Schwanenfee: Was Playmobil mit der Sexismusdebatte zu tun hat

Sexismus beginnt bereits im Kinderzimmer. Daran erinnert nicht zuletzt Playmobil, das bekannte Spielzeug des deutschen Unternehmens Geobra Brandstätter: Zu Ostern gibt es „Feueraxtritter“ für die Jungen und „Schwanenfeen“ für die Mädchen. Berliner Gazette-Autor Patrick Spät hat sich die bunten Figuren genauer angesehen. Ein Kommentar.

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Wenn man dieser Tage „Brüderle“ bei Google eintippt, bekommt man pixelfrisch den dazugehörigen Suchvorschlag Sexismus serviert. Man kann aber auch einfach den Online-Shop von Playmobil besuchen und sich die Ostergeschenke für die Kleinen anschauen: In der Kollektion „Ostereier“ gibt es für die Jungen einen schwer bewaffneten Ritter im hellblauen Ei, den Playmobil kämpferisch „Feueraxtritter“ getauft hat. Die Mädchen bekommen dagegen eine zauberhaft niedliche Schwanenfee mit zarten Schmetterlingsflügeln im rosa Ei.

Wer sich den aktuellen Katalog durchblättert, wird schnell feststellen: Waffen jeder Art gehören nur in Männerhand, denn nur starke Männer können Dinosaurier töten und feindliche Ritter, Piraten, Cowboys, Agenten und andere besiegen. Die 7,5 Zentimeter großen Plastikfiguren haben es in sich: Die Rolle der Frau jedenfalls ist eindeutig zwischen Kindern, Küche und Haushalt angesiedelt.

Kollaboriert hier etwa einer der größten Spielzeughersteller der Welt mit der FDP? Wie kann es sein, dass nach all den kleinen und großen Gefechten des Feminismus selbst im Mikrokosmos von Playmobil der männliche Chauvinismus die Zügel in der Hand hält? Sogar im OP-Saal der Playmobil-Welt operiert der Mann, während eine Krankenpflegerin assistiert und dem Mann voller Demut das OP-Werkzeug reicht.

Geschlechterklischees im Playmobil-Land

Alles nur geschlechtsfanatischer Humbug? Die Empirie belegt, dass die Welt der Plastikfigürchen der unseren nicht so unähnlich ist. Das Forschungsprojekt Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit der Universität Bielefeld zeigt, dass der Sexismus kein Hirngespinst ist, sondern tatsächlich in vielen Köpfen sein Unwesen treibt: Der These „Frauen sollen sich wieder mehr auf die Rolle der Ehefrau und Mutter besinnen“ stimmten 2010 ganze 20 Prozent der Befragten zu. Immerhin gibt es Anlass zur Hoffnung, denn im Jahr 2002 lag die Zahl der Befürworter noch bei satten 29,4 Prozent.

Judith Weingart, die Unternehmenssprecherin von Playmobil, gab – im Zusammenhang mit politischen Parteien – vor kurzem zu Protokoll, „dass Playmobil als Kinderspielzeug nicht im Zusammenhang mit einzelnen Gruppierungen verwendet werden sollte.“ Nun, diese Forderung könnten sich die Damen und Herren von Playmobil kurzerhand ausdrucken und vor die eigene Nase hängen. Denn natürlich ist die Reinigungskraft weiblich, die Flugbegleiterin auch, und die Pferdepflegerin hat ebenfalls zwei X-Chromosomen. Und apropos „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ – warum muss der Pizzabäcker ein braungebrannter, schnauzbärtiger, schwarzhaariger Mann sein?

Nach ein paar Klicks durch die Playmobil-Seite erhärtet sich der Eindruck, dass hier massive Geschlechterklischees am Werk sind, die aber hin und wieder – welch schwacher Lichtblick – durchbrochen werden. Das famose Spielset Bank mit Geldautomat zeigt tatsächlich eine Bankräuberin, die ein wenig an Gudrun Ensslin erinnert und mit einer Handfeuerwaffe rumfuchtelt (Pistolen und ähnliches sind bei gegenwartsbezogenen Spielfiguren übrigens erst seit 1997 im Programm). Und der Papa mit Kinderwagen kam pünktlich zur Herdprämie auch noch ins Programm. Vielleicht kommen ja nächstes Jahr die Feueraxtritterin und der Schwanenprinz?

Anm.d.Red.: Die Illustrationen stammen von Rakka und stehen unter einer Creative Commons Lizenz.

4 Kommentare zu “Feueraxtritter vs. Schwanenfee: Was Playmobil mit der Sexismusdebatte zu tun hat

  1. Auch pflanzen sich Menschen bei Playmobil für gewöhnlich asexuell fort. Keine Frauen in Ritterburgen!

  2. Ich bin dafür, entweder Playmobil ab sofort zu boykottieren (natürlich mit großer Demo in Nürnberg und Plakaten mit “Sind wir wieder so weit?” nebst Klage in Straßburg wegen wiederholten Verstößen gegen die Menschenrechte, denn jedes Mädchen sollte das Recht haben, heutzutage Feueraxtritterin werden zu können. Dann sollte Playmobil gezwungen werden, sämtliche Figuren-Konstellationen in männlicher und weiblicher Form herzustellen! Natürlich wäre damit das Problem nicht gelöst, denn in dem Fall hätte man zwar auch die zuvor so schmerzlich vermissten Feueraxtritterinnen, aber alle mit dem gleichen eindeutig weiblichen Haarschnitt und im kurzen Kleidchen! Wie reaktionär ist das denn bitte! Vielleicht sollte man, um diesen Rückfall in die 80er nicht ausufern zu lassen, einfach davon ausgehen, dass manche der Playmobil-Männer eigentlich Frauen sind, nur dass man sie aufgrund des Haarschnitts und der Hosen nicht gleich als solche erkennt. Hurra, schon haben wir unsere Feueraxtritterin und auch alle anderen Berufsgruppen sind im Playmobil-Universum von Frauen bevölkert. Und dass sich bei dieser Art von Sexismus-Debatte Männer beschweren, halte ich wie üblich eher für unwahrscheinlich. Schön, dass es auf dieser Welt offenbar keine anderen Probleme gibt.

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