Platzhalter Gendrifizierung macht uncool

Ein substantielles Gemeinschaftsgefuehl hatte ich zum ersten Mal auf der Tanzflaeche. 1989. Erst als ich von zu Hause ausgezogen war, mich vom Tennisverein verabschiedet hatte und sowohl Dienstag- als auch Donnerstag-, Freitag- und Samstagnacht zu >The Smiths< und >Sonic Youth< oder auch >Stone Roses< und >My Bloody Valentine< ins >Roemer< in Bremen tanzen ging, lernte ich Menschen kennen, mit denen ich Gemeinsamkeiten hatte. Das bezog sich aber nicht nur auf das Interesse an Musik: Am Rande der Tanzflaeche traf ich auch zum ersten Mal andere 17-jaehrige, die sich fuer Godard und Truffaut, aber auch fuer Marx oder Nietzsche interessierten.

1995 erschien >Black Secret Technology< und ich verliebte mich in Drum’n’Bass. Ich veranstaltete die ersten eigenen Partys, begann Vinyl zu kaufen und verstand mich bald als ernstzunehmende DJ. Bremen wurde zu klein und ich zog nach Berlin. Dort angekommen sprach ich im >Tresor< Gudrun Gut an, von der ich gelesen hatte, dass sie Musikproduktionskurse fuer Frauen anbietet. Ueber sie geriet ich dann auch in das um den Club >WTF< assoziierte Projekt >G-Point<, ein Netzwerk von internationalen, in Berlin ansaessigen Musikerinnen, DJs, Saengerinnen und MCs. Schnell habe ich mich dort engagiert, unentgeltlich die Pressearbeit uebernommen und – >natuerlich< auch unentgeltlich – eine Tour organisiert. Ich war begeistert von der Idee eines Frauennetzwerks, schliesslich hatte ich auch schon die ersten Frustrationen im DJ-Business und mit Club-Hierarchien erlebt. Schnell aber wurde deutlich, wie schwierig ein solches Unterfangen ist.

Damals gab es in der Clubkultur noch zu nicht allzu viele weibliche Role Models,an denen sich junge Frauen orientieren konnten. Bei Frauennetzwerken geht es ja vor allem darum, Raeume ohne Hegemonien zu schaffen und darum, seine Erfahrungen weiterzugeben und sich gegenseitig zu staerken. So etwas ist aber nicht unproblematisch. Ein Frauennetzwerk kann nicht viel mehr sein als eine Plattform, die den Einstieg in ein Metier ermoeglicht oder erleichtert. Aber ein Gefuege, das sich zunaechst mal ueber die Kategorie des biologischen Geschlechts definiert, ist nicht besonders stabil. Gerade in der auf Termini wie Coolness und Style gerichteten DJ-Culture geht es ja um aesthetische Abgrenzungen und minimale Differenzierungen. Wie soll dann diese grobe Kategorie Zusammenhalt stiften? Bei >G-Point< fuehrte das dann eben auch dazu, dass ich aus Solidaritaet zu meinem Drum’n’Bass-Set eine Actionpainting- und Bauchtanz-Performance aushalten musste. In der neuen Arbeit von meiner Co-Kuratorin und Kuenstlerin Ina Wudtke spricht es die fiktive DJ Eve Freeland uebrigens aus: >I think they are absolutely uncool, but that is what you get if you gendrify things.<

Als tragfaehiger haben sich im Lauf der Jahre andere, losere Konzepte der Zusammenarbeit bewaehrt. Seit einigen Jahren bin ich Mitglied des >Femmes With Fatal Breaks<-Teams. Aus dieser gemeinsamen Arbeit, die darin besteht, als DJ-Team auf von anderen veranstalteten Partys aufzulegen und Partys mit einem internationalen all female Line Up zu organisieren, ist das Projekt >Femmes ‘R’ Us< hervorgegangen. Die Idee zu einer Ausstellung beziehungsweise einem Festival, das sich interdisziplinaer mit dem Thema Feminismus beschaeftigt, ist Ina Wudtkes Arbeit als bildende Kuenstlerin und meiner als Filmemacherin erwachsen.

Der Begriff Feminismus scheint ja seit seiner theoretisch-philosophischen Dekonstruktion in den fruehen 90ern seine politische Dimension eingebuesst zu haben. So erscheint Feminismus heute einerseits als akademische Disziplin, uebrigens eher als eine unter vielen, wie beispielsweise Queer Studies oder Migrationstheorie, und andererseits als Feuilletonthema neoliberaler Praegung. Wenn man einen Beitrag zur oeffentlichen Kultur mit dem Untertitel >Feminismus in Pop Musik Kunst und Film< organisiert, sitzt man auf jeden Fall zwischen den Stuehlen. Es wird schwierig sein, dem Feminismus in all seinen heterogenen Auspraegungen gerecht zu werden, aber man kann wenigstens versuchen, ihm politisch-kulturelle Praesenz zurueck zu geben und ihn oeffentlich zu verhandeln und vielleicht doch vorhandene Gemeinsamkeiten zu betonen.

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