Der Glaube, dass Nationalismus für “uns” die Erfüllung aller Sehnsüchte und für “die anderen” Tod und Verderben bedeuten kann, ist in westlichen Diskursen verbreitet. Entsprechend werden die Bilder jubelnder Menschen angesichts der “deutschen Einheit” und Bilder des Krieges vom im Zerfall begriffenen Jugoslawien gegenübergestellt. Dabei wird der gemeinsame Nenner dieser Bilder unterschlagen: nach der Auflösung des Ostblocks war die Expansion des Neoliberalismus – ob in Berlin oder Belgrad – nur durch die Vereinnahmung des Gedenkens durch völkische Narrative möglich. Der politische Theoretiker Gal Kirn zeigt, dass “der Feind” emanzipativer Politiken keine Grenzen kennt, obwohl er fortwährend damit beschäftigt ist, (identitäre) Grenzen zu markieren. weiterlesen »
In der Pandemie, deren dritte Welle Anfang 2021 Polen besonders hart getroffen hat, spitzt sich die Lage zu: Kontroverse Aussagen und Beschlüsse der national-konservativen Regierung in Bezug auf Frauen- und LGBTQ-Rechte führten in den letzten Monaten zu noch stärkerer Spaltung der Gesellschaft. Immer mehr Menschen gehen auf die Straße und demonstrieren. Die Übersetzerin, Literaturwissenschaftlerin und Berliner Gazette-Autorin Karolina Golimowska berichtet von den Kämpfen vor Ort. weiterlesen »
Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem offiziellen Ende des Kalten Krieges leiteten westliche Mächte eine neue Phase des “ethischen Imperialismus” ein: die “Probleme” der “kommunistischen” Gesellschaften sollten durch den Kapitalismus gelöst werden. Im Zuge dessen wurde auch das Bild Rumäniens (und Osteuropas im Allgemeinen) mit Stereotypen des Rückständigen und Vormodernen neu modelliert, wie der Fotograf Petrut Calinescu in diesem Interview zeigt. weiterlesen »
Die Ereignisse im Herbst 1989, in Berlin und in ganz Europa, haben sich ins mediale Gedächtnis des Westens als Freudentaumel und Shoppingglück eingeschrieben. Für Dissonanzen und Widersprüche war und ist kein Platz. Der Brexit, gut dreißig Jahre später, wurde nirgends wirklich gefeiert. Dennoch weisen Katerstimmung nach dem UK-Austritt aus der EU und der Taumel der “wiedervereinigten” Deutschen aufschlussreiche Parallelen auf. Der Medienanalyst Greg McLaughlin kommentiert. weiterlesen »
In den letzten Jahren haben viele EU-Länder nationale KI-Strategien entwickelt. Während langfristiges strategisches Denken zu begrüßen ist – insbesondere im Kontext der Entwicklung von komplexen digitalen Technologien –, ist es auch wichtig den Fokus dieser Strategien zu erforschen und zu hinterfragen. Die Medienwissenschaftlerin Miglė Bareikytė untersucht die Ansätze im post-sowjetischen Baltikum und unterzieht die KI-Strategien Estlands, Litauens und Lettlands einer kritischen Lektüre. weiterlesen »
Die durch Deutschlands rot-grüne Koalition forcierte NATO-Bombardierung Jugoslawiens im Jahr 1999 hat nicht zuletzt den Aufbau des Kosovo als Nationalstaat auf den Weg gebracht. Als gälte es den Interventionsbedarf immer wieder vom Neuen zu legitimieren, wird das Land in den westlichen Medien als “Pulverfass”, “rückständig” und “nationalistisch” beschrieben – quasi stellvertretend für die angeblich noch heute virulenten “Probleme des sozialistischen Staatenbunds” von damals. Die Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin Marlen Schachinger, die in Prishtinë als Stadtschreiberin arbeitete, versucht diese verkrusteten Vorstellungen beiseite zu räumen und Platz zu machen für eine Annäherung auf Augenhöhe. weiterlesen »
Auf dem Papier gelten Bulgar*innen als EU-Bürger*innen. In der Realität werden sie systematisch degradiert. In einem perfiden Zusammenspiel von Behörden, Arbeitgeber*innen und Vermittlungsagenturen kommt es zu einem “bürokratischen Bordering”, das ein menschenwürdiges Leben schier unmöglich macht. Gleichzeitig sind die degradierten Migrant*innen unverzichtbar für den Arbeitsmarkt, insbesondere in Deutschland. Die Forscherin und Aktivistin Polina Manolova berichtet aus einer vermeintlich freizügigen EU, in der vor allem die Ungerechtigkeit grenzenlos ist. weiterlesen »
Nicht nur ein wichtiger Knotenpunkt der “Neuen Seidenstraße”, sondern ein Hub im weltumspannenden logistischen Kapitalismus – diese Rolle fällt ausgerechnet Georgien zu. Doch die Probleme häufen sich in der kleinen post-sowjetischen Republik: Bauprozesse werden immer wieder verzögert und bleiben unvollendet, Arbeiter*innen werden von allen Seiten ausgebeutet, Umweltschäden nehmen zu. Infrastrukturprojekte haben in dieser Region eine lange Tradition – ebenso wie Arbeiter*innenkämpfe. Doch der Blick in die Vergangenheit ist durch ideologische Attrappen verstellt. Die Geografin und Aktivistin Evelina Gambino zeigt, wie sich unter diesen Bedingungen von Geschichte lernen lässt. weiterlesen »
Gehypte Netflix-Dokus zeichnen Rumänien als ein urwüchsig-unberührtes Stück Natur. Dieser Orientalismus passt ins Bild, welches sich der westliche Teil der EU macht: rückständiges Land, arbeitswillige Bevölkerung. Welche Funktion hat diese Vorstellung für die Politik der Arbeitsmigration? Der Anthropologe und Berliner Gazette-Autor Florin Poenaru sieht hier keinen Sonderfall an den Rändern der EU, sondern Europas Zukunft. weiterlesen »
Abibas-Sneaker, Ponosonic-Gadgets und Ducci-Taschen! Shanzhai-Kopien westlicher Produkte sind mehr als Kopien. In post-sowjetischen Staaten wie etwa der Ukraine, ermöglichen sie der Arbeiter*innenklasse, sich die Idee des Westens auf subversive Weise anzueignen. Die Autorin und Kuratorin Lesia Prokopenko unternimmt einen Streifzug durch Märkte und Basare. weiterlesen »
Die Logik des Kapitals kommt paradigmatisch im Osten zur Geltung: Statt “blühender Landschaften”, gibt es “brachliegende Landschaften”. Die fast verwahrlost wirkende Unfertigkeit des Gebiets ist allerdings kein Anzeichen von Scheitern, sondern, wie der Aktivist und Autor Christoph Marischka zeigt, Ausdruck jener „schöpferischen Zerstörung“, welche der Idee von Expansion und Disruption zugrunde liegt. Eine Suchbewegung von Warschau über Leipzig bis Bergkarabach. weiterlesen »
Wer eignet sich als Übersetzerin des Gedichts einer jungen Afroamerikanerin? Wie wichtig ist ein gemeinsamer Erfahrungshorizont, um wirklich zu verstehen, was gemeint ist? Während in den letzten Monaten eine Debatte um genau diese Fragen Twitteruser*innen um den Schlaf brachte, ist ein anderes Übersetzungsproblem fast in Vergessenheit geraten: GoogleTranslate, DeepL und andere Übersetzungsmaschinen haben ein Diskriminierungsproblem. Berliner Gazette-Autor und Technikforscher Christian Heck bringt beide Debatten zusammen. weiterlesen »