Nordkorea-Boom

Die Idee, dass sich Zoeglinge des kapitalistischen Staates, fuer kommunitische Gegenentwuerfe wie Kuba begeistern koennen, ist bekannt. Doch >wir< haben es hautnah miterlebt. Erinnern Sie sich noch an den Volker Schloendorff-Film >Die Stille nach dem Schuss<? Er erzaehlt die Geschichte jener RAF-Mitglieder, die in der ehemaligen DDR untergetaucht waren und dort ein erfuelltes Leben fanden. Oder haben Sie Oskaer Roehlers >Die Unberuehrbare< gesehen? Er wiederum zeigt in sehr eleganten Bildern, wie eine in Muenchen lebende Schriftstellerin mit dem Mauerfall mental zusammenbricht, weil ihre persoenliche Utopie einer sozialistischen Gegenwelt dabei ist, sich in Luft aufzuloesen. Koennen wir da nicht bestens nachvollziehen, was sich seit einigen Jahren im Kulturbetrieb unter Intellektuellen vollzieht? Gemeint ist: der Nordkorea-Boom. So unglaublich viele Kuenstler, Filmemacher, Schriftsteller und Architekten haben sich in letzter Zeit an Nordkorea abgearbeitet, dass es schon fast muessig scheint, alle Namen aufzulisten. Am Ende hat man doch irgend jemanden vergessen, dessen Ansatz alle anderen schlichtweg uebertrifft. Belassen wir es dabei zwei Herangehensweisen gegenueber zu stellen: Das Fotobuch >Die totale Erinnerung< - ein Schriftsteller [Kracht], eine Regisseurin [Munz] und ein Architekt/Fotograf [Nikol] zeichnen dafuer verantwortlich - und Philippe Chancels oppulenten Bildband >Nordkorea<. Ich komme zu dem folgenden Schluss: Die Fotos in >Nordkorea< und >Die totale Erinnerung< fuehren vor Augen, dass sie mehr mit >uns< zu tun haben, als vielen lieb sein duerfte. Bei naeherer Betrachtung wirken die Bilder von der asiatischen Hoelle vertraut und wecken Erinnerungen - was koennte beunruhigender sein? Waehnen wir uns doch so weit weg von diesen Zustaenden und wollen Aehnliches niemals erlebt haben. Darueber hinaus leben die Fotos von einem >pervertierten Blick<, der die einfache Welt der Nachrichten nicht umkrempelt. Sondern umpolt: Nordkorea wird als Paradies praesentiert. Nicht als Hoelle. Dieses Manoever koennte bei eingehender Betrachtung zu einer inneren Aufregung fuehren und die Bequemlichkeit, die heutzutage in der westlichen Wohlstandszone so normal geworden ist, stoeren.

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