Zukunft der Zeitung: Was ist, was fehlt, was bleibt

Mit Blick auf die Zukunft der Zeitung denkt der preisgekrönte Blogger und Medienjournalist Stefan Niggemeier über unsere Leitfrage in diesem Jahr nach: WAS BLEIBT zu tun, um Dinge zu erhalten, die uns wichtig sind? Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist ein Experiment aus dem Hause Murdoch: “The Daily”, die erste Zeitung fürs iPad.

Ich glaube nicht, dass wir in Zukunft alle eine iPad-Zeitung wie The Daily zu Hause haben werden. Dennoch: The Daily ist ein Experiment. Und es ist spannend zu sehen, was man auf die Beine stellen kann, wenn man richtig viel Geld mitbringt.

Von der Definition her ist The Daily aber eigentlich keine Zeitung. Also wenn wir die Zeitung in irgendeiner Form daran festmachen, dass sie auf Papier gedruckt ist. Interessant an dem Projekt The Daily, abgesehen von dem Experimentiercharakter, ist, dass das viele Geld was dahinter steht, relativ wenig Geld ist im Vergleich zu einer “Papierzeitungs-Neugründung”. Bei allem an Multimedia, was man da reinstecken muss, bleibt es doch immer noch günstiger, als wenn man einen ganzen Vertrieb aufbauen muss. Insofern zeigt The Daily, was für eine Revolution wir hinter uns haben und wie vergleichsweise günstig es doch ist, so etwas zu etablieren.

Wird es noch eine Zeitung aus Papier geben?

Dennoch glaube ich, dass es Papierzeitungen noch lange geben wird. Wenn ich mich festlegen müsste, würde ich sagen: mindestens 30 Jahre. Und ich glaube, dass gerade für Zeitungen wie die FAZ und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung die Chancen besser stehen und sie das Zeitungssterben überleben werden. Man sieht auch bei den Auflagenzahlen, dass es für die LeserInnen anscheinend einen Typ von Zeitung gibt, der weiterhin auf großes Interesse stößt. Also der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung geht es blendend, der ZEIT geht es blendend, die schafft gerade von Quartal zu Quartal neue Auflagenrekorde. Es ist nicht so, dass sich das Publikum massenhaft davon abwendet.

Ich glaube, diese Form von Zeitung, die extrem auf Qualität setzt und auch extrem auf Auswahl setzt, auf Einordnung von alledem was jeden Tag auf uns an Nachrichten einströmt, wird es weiterhin geben. Diese Form von Zeitung kann sich zurückzulehnen als Wochenzeitschrift und sagen: „So und jetzt sagen wir dir nochmal in Ruhe, was das alles bedeutet“.

Womöglich wird es dann egal sein, ob die Leute das auf dem iPad lesen oder auf Papier. Aber ich glaube, dass es auch weiterhin ein Publikum gibt, noch eine ganze Weile, was genau diese Haptik mag, das Ganze auf Papier zu haben und vor sich auszubreiten. Gerade die ZEIT auf einem Tisch in entsprechender Größe auseinanderzufalten – das hat doch was für sich. Das ist natürlich nicht das, worauf sich Zeitungen ausruhen können, was sie auf Ewigkeit auszeichnen wird.


Foto: Newspapers are always in beta von Phil Gyford (by-nc-sa)

Wenn man nun als Verlag so ein Experiment wie The Daily starten will, dann muss man nicht unbedingt nur auf Apple, iPad und Steve Jobs bauen. Je mehr man sich nur darauf einschießt, desto mehr wird Apple zum Monopol. Man kann ganz tolle aufregende Sachen im offenen Internet machen – auch was ähnliche multimediale Angebote angeht.

Wird es noch Ressorts geben?

Ich glaube nicht, dass das Bundle einer Zeitung, also die verschiedenen Ressorts, auf Dauer zu retten ist. Die Erfahrungen der Musikindustrie sind dabei nicht Eins zu Eins zu übertragen, aber bei Onlineverkäufen von Musik etwa werden zehn mal so viele Singles verkauft im Vergleich zu Alben, die nennt man auch Bundles. Ich fürchte, dass es bei Zeitungen ähnlich sein wird.

Auf der anderen Seite macht es natürlich die Qualität einer Zeitung aus, zu sagen: Die verschiedenen Ressorts sind eine Art der Refinanzierung. Also Leute kaufen jeden Tag das ganze Paket und dadurch wird zum Beispiel auch das Feuilleton finanziert, wo es womöglich keine so große Zahl von Lesern gibt, die zur Zeitung greift.

Das ist natürlich auch die Chance bei einer Zeitung, dass man ja gar nicht weiß, wie oft wird ein bestimmter Artikel eigentlich gelesen wird. Die klassische Zeitung kann einfach sagen: wir machen einen Artikel, wir meinen, dass es wichtig ist über diese Sache zu berichten und deswegen bringen wir die Sache in die Zeitung.

Sobald ich aber online sehen kann, wie viele Leute meinen Artikel tatsächlich gelesen haben, gibt es erstmal einen Rechfertigungsdruck: Warum haben wir den Artikel veröffentlicht? Dann kann ich als gutes Qualitätsmedium immer noch sagen: okay das haben nur 300 Leute geklickt oder 30 oder was auch immer, aber wir finden es wichtig das anzubieten. Trotzdem: zunächst kommt man so in eine Rechtfertigungsposition.

Eine Wochenzeitung fürs Internet

Ein Onlineangebot, das auf Reduktion setzt, finde ich reizvoll. Was in Deutschland alle Medien machen, ist: “wir machen alles”. Wir verdienen eh so wenig Geld, also müssen wir viel produzieren, damit es sich insgesamt wenigstens rechnet.

Da diese ganze Masse im Internet aber ohnehin nur einen Klick weit entfernt ist, fände ich ein Angebot reizvoll, das sagt: wir wählen aus, wir gewichten, wir machen nicht alles mit. Und wenn sich alle im Netz nun über Britney Spears aufregen, steht dazu bei uns nichts, auch wenn es am meisten geklickt würde. Ich als Leser könnte mich darauf verlassen, dass da relevante Inhalte präsentiert werden. So eine Reduktion, macht Journalismus ja auch aus, also zu sagen: das ist ein Thema und das ist unserer Meinung nach keins und wenn dich das jetzt interessiert, dann lies es halt woanders.

Also eine Art Wochenzeitung fürs Internet. Am Anfang wäre das wirtschaftlich vermutlich sehr schwierig. Aber die Chance wäre, dass sich eine Community bildet. Im Moment leben die Verlage doch davon, über Google möglichst viele zufällige LeserInnen zu gewinnen. Da gibt man sich also ganz viel Mühe, die LeserInnen einzufangen, aber relativ wenig Mühe, die LeserInnen zu halten.

Eine Redaktion, die das anders macht als alle anderen, hätte tatsächlich die Chance eine treue Leserschaft zu finden, die nicht davon abhängt bei Google zufällig Konsumenten einzusammeln.

Anm.d.Red.: Dieser Text basiert auf der Transkription von Antworten, die der Verfasser im Rahmen eines Gesprächs mit Deutschland Radio Wissen gab, an dem auch Berliner Gazette-Chefredakteurin Magdalena Taube beteiligt war

28 Kommentare zu “Zukunft der Zeitung: Was ist, was fehlt, was bleibt

  1. ich bin dankbar für diese Inspiration, denn die Berliner Gazette als Medium im Internet, also dem Ort des angeblichen Verderbens der Zeitung, spricht in diesem neuen Dossier von einer Neuerfindung, nicht vom Tod und der geschätzte Stefan Niggemeier hat auch wenig Zeit für das Schwarzmalen, viel lieber spricht er klug über Perspektiven. Ich hoffe, die anderen Kommentatoren gucken sich hier was ab…

  2. mich überrascht doch ein wenig, wieviel ich auf Anhieb finde, wenn ich “Zukunft der Zeitung” bei Google eingebe:

    1. in der FAZ

    Das epische Medium: Der Tod der Zeitung wird beschworen ohne Unterlass, im Internet vor allem. Doch dem Druckmedium die Messe zu singen ist falsch. Der Journalismus hat uns online und offline noch viel zu sagen. Von Miriam Meckel

    ( http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A182360/Doc~E56A97F26EC654B7687D330745CA8B1ED~ATpl~Ecommon~Scontent.html )

    2. in der dd_vg.

    Die Zukunft der Zeitung hat schon begonnen
    von Prof. Dr. Michael Haller

    ( http://www.ddvg.de/ausgewaehltethemen/zukunftderzeitung/ )

    3. im JakBlog

    Zehn Thesen zur Zukunft der Zeitung
    von Christian Jakubetz

    ( http://www.blog-cj.de/blog/2010/10/21/zehn-thesen-zur-zukunft-der-zeitung/ )

    4. bei medium:magazin

    Zehn zornige Thesen zur Zukunft der Zeitung
    von Bernd Ziesemer

    ( http://www.mediummagazin.de/magazin-plus/zehn-zornige-thesen-zur-zukunft-der-zeitung/ )

    5. bei Spiegel Online

    Ein Text für den Preis einer Kippe
    Von Jürgen Neffe

    ( http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,628864,00.html )

    6. bei der Financial Times Deutschland

    Der Apfel der Erkenntnis
    von Lutz Knappmann

    ( http://www.ftd.de/it-medien/medien-internet/:zukunft-der-zeitung-der-apfel-der-erkenntnis/50065521.html )

  3. “Die Erfahrungen der Musikindustrie sind dabei nicht Eins zu Eins zu übertragen, aber bei Onlineverkäufen von Musik etwa werden zehn mal so viele Singles verkauft im Vergleich zu Alben, die nennt man auch Bundles.”

    das ist ein wirklich gelungener Vergleich, es hilft besser zu verstehen, was sich hier tut. Denn die Sache mit dem Album hat man wirklich ziemlich gut mitbekommen und verstanden: es ist irgendwie out… Alben fragmentieren sich zwischen iPod und Internet in viele Bestandteile, das Live-Konzert ersetzt die Dimension des großen Zusammenhangs.

    Gleichzeitig sprechen viele Menschen auch wieder von einem Comeback des Albums. Und das aktuell wirklich sehr als Hoffnungsträger gefeierte Album-Modell ist: Konzept-Album. Und hier bestehen enge Verbindungen zu dem Prinzip der Wochenzeitung, dass Sie am Ende ansprechen, dieses Prinzip, das ja ein wenig so funktioniert, wie das Magazin: Thema, Fokus, Bündelung, Schwerpunkt, eben Konzept.

    Kein Zufall, dass all das in der Berliner Gazette erscheint ; ) wo News, Schnelligkeit und “wir müssen alles machen” nun wirklich nicht zum Ansatz gehören, sondern besagte Reduktion, Auswahl, Themensetzung, etc.

  4. wie sieht es eigentlich mit der Frage der Nachhaltigkeit einer Zeitung aus Papier aus? ist das nicht eine wahnwitzige Idee, diese ganzen Papierprodukte auf den Markt zu bringen, die meistens nicht länger als einen Tag währen und dann im Müll landen, auf mich wirkt dieser Produktions- und Konsumptionsprozess nicht wirklich effizient…

  5. @#7: effizienz und nachhaltigkeit ist nicht dasselbe… und papier wird ja recyelt… aber ich habe auch ein komisches gefühl, was die papierzeitung anbetrifft, denn waren, die über haptik ihren objektcharakter entfalten, solche waren hat man/frau meistens länger in der hand oder griffbereit als die normale zeitung, die frage wäre also ob sich die medienhäuser nicht mal was einfallen lassen, um zu ermöglichen, dass man die zeitung besser archivieren oder auseinanderbauen kann, damit man/frau die lieblingsseiten oder stellen einfach läger zu hand hat, und man nicht wie jetzt bastlen muss mit schere und kleber sondern eben ein weitverbreitetes system hat, wie das bei büchern mit regalen und so der fall ist…

    insofern ja: in print ist es die wochenzeitung vielleicht auch deshalb: nicht so viel papier pro woche, das verwaltet werden muss…

  6. Ich denke in Zukunft werden die meisten Menschen Ihre Zeitung auf IPhone & IPad lesen ….
    Wir haben unser “Papier Abo” zum 30.3. gekündigt.

  7. Eine Online-Wochenzeitung gibt es seit April für Stuttgart: kontext-wochenzeitung.de Die Idee hat was und ich bin gespannt, ob sich für das Projekt genügend Leser finden.

  8. @Stuttgarter: schöne Sache… In “wir über uns” ( http://www.kontextwochenzeitung.de/wir-ueber-uns/ ) kann man lesen: “Die Unabhängigkeit von Kontext:Wochenzeitung ist gewährleistet. Wir gehören niemandem, wir sind keinen politischen und wirtschaftlichen Interessen verpflichtet.”

    Das klingt gut, aber: Wie finanziert sich diese Zeitung? (kann man nirgends nachlesen oder?) Ganz ohne Geld geht’s nimmer…

  9. @Die Redaktion: Meines Wissens nach steht im Hintergrund eine Stiftung, die das Ganze finanziert.

  10. @Berlinerin: sollte das wirklich die Zeitung der Zukunft sein? eine Zeitung, die via iPad und iPhone zu uns kommt? diese Frage ist natürlich nicht nur eine Frage des Interface-Designs, der Bildschirm- und Objekt-Gestaltung, sondern 1) eine Frage von “wieviel Menschen haben solche Geräte? kann die Mehrheit geschweige denn auch wirklich alle Menschen eine solche Zeitung lesen?” und 2) wollen wir die Zeitung tatsächlich nur in einem solchen geschlossenen System, in so einem Käfig “halten”, über den eine Firma entscheidet wie er gebaut ist, wer rein darf, und wie wer daran mitprofitieren kann und vielleicht sogar auch, ob das Produkt im offenen Internet dann auch noch verfügbar sein darf (wahrscheinlich nicht, weil es sonst kommerziell nicht ertragreich wäre)?

    Wäre die iPod/iPad-Zeitung nicht eine krasse Privatisierung eines Guts, das weitgehend öffentlich sein sollte?

  11. @Stuttgarter: es wäre wichtig, gerade bei einem politischen Medium, das im Rahmen der Initiative “Stuttgart 21” hervorgegangen ist, deutlich offen zu legen, wer das finanziert, in dem Fall, was das für eine Stiftung ist, was für Ziele und Interessen die vertritt…

    diese Transparenz, von der auch auf der Webseite in besagter Rubrik die Rede ist, sollte es geben, ganz ohne Nachfrage, man sollte gerade bei einem solchen Projekt wissen: wer zahlt für diesen Journalismus?

  12. @zk#5: ich verstehe miriam meckel nicht, die einerseits sagt in die diesem faz-artikel, man müsse endlich aufhören online und offline als zwei getrennte welten zu denken (“wenn es gelingt, von dem antagonistischen Verständnis online versus offline wegzukommen”)und dann aber genau das tut (und stefan niggemeier zeigt ja, dass man das längst hinter sich lassen kann), also sie schreibt, ganz gegen ihr eigenes postulat:

    “Und der Journalismus? Auch er wird lernen müssen, dass es nicht das eine oder das andere, sondern immer beides zusammen gibt. Im Netz eröffnet sich die Möglichkeit, spontan zu Ereignissen Stellung zu nehmen, dabei womöglich Instantgedanken zu produzieren, die kaum länger als eine Stunde haltbar sind. Und die haben im Netz ihre Berechtigung – neben den vielfältigen Angeboten von „Bürgerjournalismus“. „Schreib es aus dir raus“, nach diesem Motto erwartet der Leser im Netz die Direktübertragung der Gedanken bei ihrer Verfertigung.

    In der Zeitung ist das anders. Dort wollen wir originelle, ja einzigartige Inhalte finden, gut recherchierte Reportagen lesen, Geschichten, die durch ein paar Hände und Köpfe gegangen sind. Und wir vertrauen darauf, dass die Zeitung weiß, was wir erwarten. Journalismus im Internet ist nichts anderes als eine Dauerkonversation aller Beteiligten untereinander. Das gedruckte Medium offeriert Geschichten, die aus einem vielschichtigen Diskurs- und Produktionsprozess hervorgehen.”

    am ende schreibt sie dann noch:

    “Online und offline müssen sich unterscheiden.”

    ich glaube, sie hat nicht wirklich verstanden worin diese unterschiede bestehen (können), wieviel mehr reichtum das netz und der journalismus dort bietet und und wie wiederum der gedruckte journalismus im vergleich eben dazu anders tickt

  13. @zk: ich habe jetzt auch den prof. haller gelesen und verstehe einfach nicht, was er meint, wenn er sagt:

    “Kein anderes Medium gestattet dem Nutzer einen so hohen Freiheitsgrad [wie die Printzeitung]: Er kann selbst entscheiden, was alles, wann, wo und wie oft er es liest. Es wird Jahrzehnte dauern, ehe wir über eine elektronische Zeitung mit ähnlich hohem Freiheitsgrad verfügen.”

    ( http://www.ddvg.de/ausgewaehltethemen/zukunftderzeitung/ )

    warum hat eine elektronische zeitung diese entscheidungsfreiheit nicht? was wird in jahrezehnten anders sein?

  14. @solfrank#18: es ist nicht ganz klar, wann Haller diesen Beitrag verfasst hat, seine historische Hauptreferenz ist der 11. September 2001… vielleicht ist auch seine Sicht auf die “elektronische Zeitung” auf dem Stand von vor zehn Jahren und wenn man dann seine Prognose in Internet-Jahren denkt, dann haben wir diesen Zustand natürlich schon längst erreicht… und wenn man sich umschaut und die “elektronische Zeitung” als offenes Internetmedium begreift, dann sind die Freiheitsgrade geradezu unermesslich groß…

    ich finde in seinen Ausführungen einen anderen Punkt interessant, wenn er sagt, die Zeitung sei in Kriegs- und Krisenzeiten wichtig (wir erleben ja gerade immer häufiger einen solchen Zustand) und ich frage mich: stellt die Zeitung ihre Bedeutung tatsächlich unter Beweis oder muss man hier nicht so sehr nach Bedeutung fragen als vielmehr nach der Möglichkeit, die die Krise der Zeitung zu einer Rundum-Erneuerung bietet (auch wenn es letztlich im Falle des Falles “nur” um das Explizitmachen derselben geht).

    Hier die besagte Passage bei Haller:

    “Journalistische Leistungen sind in Krieg- und Krisenzeiten besonders gefragt – wenn sich bedrohliche Ereignisse überstürzen, wenn die Ursachen im Dunkeln und die Folgen des Geschehens noch unabsehbar sind. Dann fiebern die Menschen nicht nur nach der topaktuellen Information, sondern verlangen auch nach Orientierungshilfe: nach einordnenden Berichten, erklärenden Analysen und beurteilenden Kommentaren. Gerade in diesen schlimmen Zeiten ist die Unentbehrlichkeit der Tageszeitung offensichtlich.”

  15. @#19: eine sehr optimistische Sichtweise, ich mag und schätze Optimismus, aber man sollte auch daran erinnern, wie ja auch an verschiendenen Stellen in der Berliner Gazette (im Rahmen der Berichterstattung zur Japan-Katastrophe/Fukushima-Krise) erinnert worden ist, dass die klassischen Medien eine sehr zweifelhafte Rolle spielen: vom Ausnutzen der Lage für die Steigerung der eigenen Reichweite etc. bis hin zu einer hörigen unterwerferischen Haltung im Dienst des Common Sense vorgegeben durch Staat und Wirtschaftselite etc.

  16. interessant!

    die Frage, wo man vor 10 oder 20 jahren gestanden hat und umgekehrt wo man in 10 oder 20 jahren stehen wird, das ist besonders faszinierend…

    ich habe bei Thomas Knüwer etwas dazu gelesen:

    “1994 – das Jahr, in dem Medienhäuser weiter waren als 2011”

    …Tablet-PC, der Nachrichten ganz neu aufbereiten könne. Gut, der Nutzer braucht einen Stylo zur Bedienung – ansonsten aber sehen wir einen sensationell weit fortgeschrittenen Vorboten des Ipad.

    Noch erschreckender aber ist: Die Art, wie dort Nachrichten präsentiert werden, mit all den multimedialen Grafiken, der nahtlosen Integration von Video und der Option, Nachrichten weiterzugeben – all das ist weiter als viele Ipad-Apps aus Medienhäusern in diesen Tagen.

    http://www.indiskretionehrensache.de/2011/04/verlage-ipad-1994/

  17. @nfranzp#2: Ich denke, die große Zeit der Karten kommt jetzt mit dem Netz. Das ist ein Bereich, in dem die analoge Zeitung wirklich nicht mithalten kann. Das einzig coole an Karten in Papierzeitungen: man kann sie sich aufhängen. :)

  18. zum Thema Papier/Zeitung:

    Stefan Niggemeier sagt: “wenn wir die Zeitung in irgendeiner Form daran festmachen, dass sie auf Papier gedruckt ist” — mit dieser Definition der Zeitung steht er nicht allein da. (im Englischen heißt es ja sogar news PAPER).

    Die Journalismusforschung klammert das Papier bei der Definition einer Zeitung größtenteils aus. Vielleicht auch, weil niemand daran gedacht hat, dass das Papier jemals wegfallen könnte.

    Dennoch ein wahnsinnig interessanter Punkt: Bei allen anderen Medien “verstehen” die Konsumenten den Übergang ins Digitale (Fernsehen, Radio). Bei der Zeitung tut man sich damit schwer. Man kann das mit Haptik erklären oder mit Gewohnheit. Vielleicht ist es auch die Angst vor dem Potenzial einer Zeitung im Netz – denn ohne technische Hürden kann hier tatsächlich jedeR mitmachen, der/ die schreiben kann. Bei Fernsehen (Video) und Radio (Podcast) gibt es immer noch technische Grenzen – im Normalfall kann ich auf das SPON-Nachrichtenvideo als User nicht mit einem Video reagieren, sondern nur mit Text.

    Bei journalistischen Texten im Netz befinde ich mich als Nutzer also medientechnisch gesehen immer gleich auf einer Höhe mit dem Journalisten, oder?

  19. Am Ende des Beitrags bleibt trotz aller Visionen die Kardinalsfrage nach der Finanzierung ungeklärt. Denn tendenziell ist davon auszugehen, dass die klassische »Blättergeneration« nach und nach verschwinden wird. Dem können sich weder ZEIT noch FAZ verschließen. Aber was kommt dann? Wird es Bezahlschranken geben, um die noch herrschende Qualität der journalistischen Arbeit finanziell überhaupt stemmen zu können? Zudem ist der Gedanke einer Wochenzeitung mit Themenauswahl und Erklärung reizvoll. Hier liegt in der Tat Potential. Die Informationsüberflutung von Lesern, Hörern und Sehern wird weiter zunehmen. Da liefert ein wöchentlicher Extrakt wesentlicher Themen Mehrwert für den Leser. So kann auch auf Verlegerseite ein möglichst spitz ausgerichtetes Portfolio das Überleben sichern.

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