Neulich im Zug durch Ostdeutschland

Wir sind eine illustre Runde, meine amerikanische Freundin amuesiert sich, ich zeige ihr, woher ich komme. Im Zug treffe ich alte Bekannte wieder, die inzwischen auch in Berlin wohnen und einen Wochenendtrip in die Heimat unternehmen. Wir quatschen und lachen, es ist, als ob wir erst gestern unseren letzten Schultag gehabt haetten. Irgendwann kommen wir auf die Berufschulen der beiden zu sprechen. Zwei Mal pro Woche muessen sie nach Moabit beziehungsweise nach Kreuzberg. Da gibt es ziemlich viele von >denen<: Auslaender.

Am Anfang war es ja schon komisch, mit so vielen von >denen< auf dieselbe Schule zu gehen. Nein, nein, dieselben Klassen besuche man nicht, nur die Cafeteria teile man sich. Ach doch, einen Jugoslawen gibt es in der eigenen Berufschulklasse, aber der koenne ganz gut Deutsch. Wow. Naja, >die< klauen halt viel. Und ueberhaupt, muss man sich erstmal dran gewoehnen, wenn man noch nie >so viele von denen auf einmal gesehen< haette. Klar. Meine amerikanische Freundin rutscht etwas unruhig auf ihrem Platz hin und her. Natuerlich fuehlt sie sich bei so einem Gespraech nicht gerade wohl. Das faellt meinen Bekannten gar nicht weiter auf. Fuer sie ist eine Amerikanerin keine von >denen<. Eigentlich sind meine Bekannten total in Ordnung, wuerden keiner Fliege was zuleide tun und um Himmels willen: Sie sind nicht rechts! Aber was sind sie dann? Mit einem Deutsch-Tuerken sind sie jedenfalls noch nie ins Gespraech gekommen, nach drei Jahren Berlin. Und wie lange braucht man eigentlich, um sich daran >zu gewoehnen<, dass die neue Schule ein bisschen anders aussieht als die alte? Als wir aussteigen und uns verabschieden, kommt mir der letzte Schultag auf einmal doch ziemlich weit weg vor.

2 Kommentare zu “Neulich im Zug durch Ostdeutschland

  1. Vor bald fast zwei Jahren brachte ich eine neue Katze in’s Haus – mein Kater kannte vorher nur seine Geschwister und war seitdem allein. Bis heute schaffen sie es maximal ohne Argwohn aneinander vorbeizugehen.. .
    Menschen, in deren Identifikation weder Offenheit noch ein multikulturelles soziales Umfeld jemals eine Rolle gespielt hat, scheinen oft die Chance zu verpassen sich anzupassen;

  2. Pingback: Krieg spielen

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