Dancing with the Duschkopf

Neulich nach dem Umzug einer Freundin fiel das Gespraech der schweissverklebten Helfer auf das Duschen und auf wie viele Arten man dies ueberhaupt tut. Allein in dieser kleinen Runde kamen wir schon auf einige Unterschiede: Die einen steigen zuerst in die Dusche und richten den Brausestrahl auf ihre Fuesse bis die Temperatur stimmt. Die anderen ziehen einen Handtest vor, waehrend sie noch vor der Dusche stehen.

Die Badezimmerstrukturen tun ihr Weiteres: Ich habe Grossteile meines Lebens im Sitzen geduscht, da es oft nur eine Badewanne ohne Duschvorhang gab. Eine Zwischenmieterin, die sich fuer einen Monat bei mir einnistete, traf deswegen der Schlag und mein Bad die Ueberschwemmung, da sie keinesfalls auf das Duschen im Stehen verzichten konnte. Stehduschzwangscharaktere gibt es also auch.

Ich blieb dagegen ein Sitzduscher und traeumte heimlich von Duschkabinen, da dort kein eigensinniger Vorhang haengt, der sich langsam auf mich zubewegt und sich an meine Haut heften will, was ziemlich eklig ist, wenn sich der Vorhang von original-rosa am oberen Rand zu menschlich-braun am unteren verfaerbt. So beobachtet in einem schimmeligen Bad in Liverpool, in dem meine rechte Hand zwei Monate lang den Duschkopf hielt und meine linke sich taeglich Kaempfe mit dem Duschvorhang leistete – der Morchelpilz in der Wandecke ist mein Zeuge.

Die Briten duschen sowieso ganz anders. Beziehungsweise sie duschen oft gar nicht. Sie baden. Notgedrungen, da viele englische Baeder – zumindest die meisten, die ich in Liverpool zu Gesicht bekam – nur eine Badewanne mit Wasserhahn besitzen. Als ich damals bei einer Kollegin einzog, wollte ich anfangs noch zum Wasserhahn robben, um wenigstens meine Haare in kauernder Embryonalhaltung richtig ausspuelen zu koennen. Mein Plan wurde jedoch durch etwas sehr Britisches zerstoert: Statt der gewohnten Mischbatterie ragten am Ende der Wanne zwei Wasserhaehne hervor – die twin taps – einer bruehend heiss, der andere eisekalt.

Ein Jahr spaeter auf Besuch bei meiner nun Ex-Kollegin und Immernoch-Freundin entdeckte ich Abhilfe im Schaufenster eines DIY-Shops im Zentrum Liverpools. Ein Duschkopf lag da, der an einem hautfarbenen Plastikschlauch befestigt war, welcher sich schliesslich gabelte und in zwei Saugpfropfen muendete, die jeweils ueber einen twin tap gestuelpt werden sollten. Einige Stunden spaeter ueberreichte ich mein leicht verspaetetes Gastgeschenk in der freudigen Erwartung, als twin-tap-Erloeser umarmt und gedrueckt zu werden.

Nachdem meine Freundin mein Geschenk zuerst fuer ein bizarres Sexspielzeug mit beidseitiger Brustwarzenstimulation hielt, wich ihr Blick jedoch aus. Anscheinend erhielt sie von mir gerade unerwuenschte Lebenshilfe, die ihren kulturtraditionellen Alltag ueber Bord zu werfen drohte. Ein gequaeltes >Ta, love< als Dank zeigte mir, dass ich in Zukunft den zwei Wasserhaehnen wohl respektvoller begegnen sollte. Aber wenigstens behielt Dr. Erlinger Recht. Der Alltagsmoralist des Sueddeutsche Zeitung Magazins sagt naemlich, dass die meisten Menschen andere Menschen so beschenken wie sie selbst beschenkt werden wollen. Dies traf in diesem Fall voll und ganz auf mich zu, in aeusserst direkter Weise, denn ich hatte ja noch zwei Wochen Urlaub vor mir und so stuelpte ich am naechsten Morgen triumphal die Saugpfropfen ueber die verhassten twin taps. Stehend in der Wanne waehlte ich den Fusstemperaturtest und drehte beide Haehne auf. Ein Eisregen prasselte auf meine Fuesse. Vor Schreck liess ich den Duschkopf fallen, der ob des Wasserdrucks sofort wie eine wild gewordene Klapperschlange in der Wanne zu tanzen anfing und mich, nun auch tanzend vor lauter Ausweichen, weiter kalt erwischte. Eigennuetzige Geschenke bringen eben schlechtes Karma. Voller Vorfreude hatte ich naemlich nicht bedacht, dass der Strahl des kalten Hahns sehr viel staerker war als der des heissen und somit an der Gabelung meines magic twin tap attachments das heisse Wasser erfolgreich verdraengt hatte. Modernere meiner Unterschlupfe in Grossbritannien, wie das >Princes Street backpacker hostel< in Edinburgh, verfuegten endlich ueber meine herbeigesehnte Duschkabine. Nur am Waschbecken blieben der heisse und kalte Hahn unverrueckbar. Einmal liess ich nach einem anstrengenden Tag unter der schottischen Sonne das Wasser aus dem kalten Hahn stumpf in mich hineinlaufen und kroch danach mit Blubberbauch in den Schlafsaal. Wenige Stunden spaeter hatte sich das Wasser in meinem Bauch in meine wesentliche kleinere Blase verlagert und mit verzerrtem Gesicht und dem zuckenden Gang eines Strandurlaubers, der auf viel zu heissem Sand zum Handtuch gelangen moechte, machte ich mich auf den Weg zum Bad. Zu meiner Verzweiflung liess sich die Badezimmertuer nicht oeffnen und das Geraeusch von rauschendem Duschwasser verschlimmerte meine Situation erheblich. Dafuer erweiterte sich jedoch mein Waschwissen auf ungeahnte Weise: Aus dem Duschinnern drangen leicht unterdruecktes Gestoehne und lustvolle >Oh-Steve<-Seufzer. Zu solchen Gelegenheiten duschen die Briten also. Fuer alles Weitere haben sie Badewannen. [Anm. d. Red.: Die Verfasserin des Textes ist Linguistin und Autorin der Berliner Gazette. In dem Buch Vernetzt ist sie mit einem Text vertreten.]

Ein Kommentar zu “Dancing with the Duschkopf

  1. Wahnsinn, dass ihr das ganze Duschthema auch noch aufgreift. Ich hatte ja ein bisschen befürchtet, dass das baden geht!!! Ha ha schlechter Witz, nichts für Ungut!

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