Mit Panzer zum Baecker

“Jedes Kind braucht nur noch rauf zum grossen Bruder zu sehn, um zu wissen, Mathe is alles, was ich hier brauch, um zu lebn, der kriegt fuer hundert vierfuenzig und kauft n Kilo fuer vier, rechne es aus, das is n Gewinn von… hm, ganz viel!”

Mag sich unser Innenminister noch nicht dazu hinreissen lassen haben, mit “Gesindel” zu titulieren, wessen Eltern wir uns einst ins Land geholt haben, um Arbeiten zu erledigen, die sonst keiner wollte, um sich darueber hinaus nicht weiter um sie zu scheren, und moegen die Autos andere anstecken, mit Leuten, die hauptberuflich der seltsamen Beschaeftigung nachzugehen scheinen, den ganzen Tag bei Wind und Wetter in den Hauseingaengen rumzuhaengen und natuerlich auch nur genau das zu tun, ist Kreuzberg voll.

Das Kreuzbergtape erzaehlt davon, wie das eigentlich kommen kann, dass es heisst: >Scheiss auf Ausbildung, hier hat keiner Bock zu ackern, denn am Ende verliert man ja doch seinen Job wie Papa<, macht vor allem aber auch eine klare Ansage, dass man hier zwischen zwei Messerstechereien durchaus gewillt ist, sich mit der eigenen Situation auseinanderzusetzen und zu versuchen, sich selbst an den Haaren aus der Scheisse zu ziehen. Im Rahmen der Gegebenheiten versteht sich, denn natuerlich bleibt ein fetter Dreier-BMW erklaertes Lebensziel und >Opfers< sollen die sein, die als zweite zuschlagen, aber ein Waisenknaben- Image waere ja auch der Sache nicht so richtig dienlich.

>Man kriegt alles, was man will, in diesem Land, ausser Waerme im Herzen, nen festen Willen und klaren Verstand< ist bestimmt nicht so falsch, aber vor allem sagen diese Zeilen, dass man sich Gedanken gemacht hat, was Waerme im Herzen, ein fester Wille und klarer Verstand sein koennten. >Jetzt kriegt ihr die Rechnung und zahlt doppelt und dreifach, ihr Penner, wir schweigen nicht laenger und auch ihr hoert unsre Stimme, denn sie kommt den ganzen Tag aus den Boxen im Kinderzimmer< klingt nach Schadenfreude. Ist es bestimmt auch. Es ist aber kein Grund, panikartig Gangsta-Reime verbieten und einen Zaun um Zehlendorf ziehen zu wollen.

Eher ist es sogar ein Grund, sich entspannt zurueckzulehnen, denn wer offensichtlich ein gewisses Bewusstsein dafuer entwickelt, wer er ist und was er kann, laesst eher hoffen als fuerchten, morgen braechte er das Abendland zu Fall. Jene, die >Vendetta-Rap< bloss fuer eine Mischung aus Rumgeprolle und Sozialneid solcher halten, die es halt nicht besser koennen, hat irgendwie nicht kapiert, dass Saetze wie >Anscheinend glaubt jetzt jeder Punk, er ist Rapper, aber wer von denen faehrt wie ich mit Panzer zum Baecker?< aesthetische Attituede, die Verpackung, nicht der Inhalt sind. Heute Abend ist bei der >Night of the Kingz< im SO36 live zu erleben, was die Jungs von den 36Kingz aus ihrem Frust machen – auf jeden Fall schon mal mehr als bloss Weed ticken und die Haelfte selber ziehen.

2 Kommentare zu “Mit Panzer zum Baecker

  1. *tröööt!*
    Vielen Dank, Susanne! Du solltest mal die Reaktionen gutbürgerlicher Vorortdortmunder sehen, wenn die Jugend etwas expressiver wird. Der Ruf nach Polizeischutz ist da das erste (und einzige) wozu man fähig ist. Unglaublich schwer, den Menschen beizubringen, dass weder große Fresse in Berlin Kreuzberg noch in Dortmund Scharnhorst wirklich gefährlich ist.. .

  2. Mich nervt, dass bei all dem Potenzial, dass die “Jungs” (Mädchen gibts da wohl nich?) anscheinend haben, keine soziale Bewegung daraus wird. Schon Anfang der 90er haben Bands wie Advanced Chemistry auf genau dieselben Probleme aufmerksam gemacht. Was ist passiert seitdem? Nichts – außer das Aggro Berlin sein Patrio-Zugpferd Fler nun mit einer Platte selben Titels auf die Straßen ziehen lässt. Schöne Scheiße.

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