Mit dem Auto nach Polen

An einem heißen Samstag fahren wir von Berlin-Kreuzberg in Richtung Polen los. Wir wollen in die Masuren – Polens größte Seelandschaft im Nordosten des Landes. Dort wartet ein Haus am See auf uns, wir müssen nur dahin kommen.

Laut Navi brauchen wir für 708 Kilometer 9,5 Stunden. Autobahn bis Frankfurt/Oder, schnell durch den ehemaligen Grenzübergang nach Słubice (alles steht noch da, Schranken, kleine Häuschen und Schilder – als wäre man sich nicht sicher, ob Schengen die richtige Lösung war). Wir versuchen, die Landstraße Nummer zwei in Richtung Poznań zu finden, was laut Navi und Karte ziemlich einfach sein sollte – einfach geradeaus fahren. Nur leider zeigt sich direkt vor uns eine riesige Baustelle – wir biegen links ab und folgen den Umleitungsschildern, die aber plötzlich aufhören.

Entweder Fahrrad oder Traktor

Ein unasphaltierter Feldweg führt uns zu einem sehr kleinen Ort in der Nähe von Boczów. Auf meiner Karte existiert dieser Ort nicht, das verwirrte Navi befiehlt bereits zum dritten Mal, mit einer gefühlt immer ungeduldigeren Stimme, dass wir sofort umdrehen sollen. Ich steige aus und frage einen Mann nach dem Weg. “Gerade aus, links und rechts durch den Wald und dann kommen Sie auf die zwei”, sagt er. Dann kommt er mit seinem Kumpel näher heran und betrachtet unseren kleinen Renault. “Was meinst Du, Heniek, kommen die damit durch?” “Keine Ahnung”, sagt Heniek, “ich fahre ja entweder Fahrrad oder Traktor”. Ich entscheide mich, den Satz für meine Begleitung A. nicht zu übersetzten, wir fahren einfach weiter.

Es dauert eine halbe Stunde durch den Wald zu kommen und endlich finden wir die asphaltierte Straße, die zur von meiner Karte und diversen Artikeln in der polnischen Presse versprochene Autobahn führen sollte. Doch diese wird zu großen Teilen noch gebaut. Wir sehen riesige Sandberge und große Maschinen und fahren in einem Schildkröten-Tempo zwischen diversen LKWs eine einspurige Landstraße entlang.

Erst ab Nowy Tomyśl, ca. 70km vor Słubice, fängt die richtige Autobahn an, die berühmte A2, auf die wir – die Polen – so stolz sind, die bis nach Łódź geht, also fast 300km weit, und für die man drei mal 12 złoty (ca. 3 Euro) zahlen muss. Trotzdem sind wir froh, schneller als 60km/h fahren zu können.

Endspurt

Wir machen kaum Pausen, wechseln uns am Steuer ab und reden immer weniger, es wird immer später, wir sind erschöpft, genau wie das kleine Auto. Ab Łódź fahren wir durch Felder und kleine Dörfer, manchmal halten wir an, um einen Bauer mit seinen Kühen die Straße überqueren zu lassen. Die Wege sind schmal und nicht mehr so voll, es ist schön. Die letzten 20 km durchqueren wir einen riesigen Wald – hier fängt die Puszcza Piska an – der Pisz-Dschungel, Sandwege oder Kopfsteinpflaster, es ist dunkel. Hier kenne ich mich aus – mein Vater brachte mir hier vor Jahren das Autofahren bei.

Nach 11 Stunden Fahrt kommen wir endlich in Krzyże an. Bilanz: eine Radkappe weniger und ein komisches Quietschen im rechten Vorderrad. Wir setzten uns auf die Veranda und lauschen den Zikaden. Irgendwann müssen wir nach Berlin zurück, aber daran denken wir die nächsten zwei Wochen nicht.

7 Kommentare zu “Mit dem Auto nach Polen

  1. ein echtes Abenteuer mit dem Auto nach Polen, den Legenden zufolge nicht überstehbar ohne Reifenklau, Schlaglöcher wie Technobeats per Minute, etc. — insofern danke für diesen Text, der ein bisschen aus dem echten Leben erzählt.

  2. Hallo, danke für den Text! Mir gefällt am besten der Neologismus “Schildkröten-Tempo” – bisher kannte ich nur Schneckentempo, aber Schildkröten sind viel sympatischer!!!

  3. das erinnert mich stark an die geschichten aus kathrin passigs neuem buch: verirren.

    sie erzählt darin zusammen mit alex scholz, was für eine bereichernde wirkung das verirren haben kann, für unseren geist insbesondere.

  4. Hallo,

    danke sehr für den Beitrag. Man kann ruhig mit Auto nach Polen fahren, keine Sorgen, nur bei der Versicherung alles prüfen. Polen ist ein schönes, sauberes Land. Echt empfehlenswert. Grüsse!

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