Maechtiger als das Schwert

Als >Myanmar Future Generation< [MFG] ihren ersten politischen HipHop Song im Internet veroeffentlichte, war die Aufregung in der weltweit verstreuten birmanischen Gemeinschaft gross. Der Song wurde auf der Webseite der Gruppe bereits vor der Veroeffentlichung beworben und schliesslich per Email an im Ausland lebende Birmanen versandt. Die Zeit fuer den Durchbruch dieses maechtigen und revolutionaeren Genres scheint gekommen zu sein.

Junge Menschen verstehen Rap und HipHop ueberall als ein Mittel zum Ausdruck von Gefuehlen. Warum also nicht auch in Birma? Das Militaerregime mag zwar westliche Maechte verleugnen, aber geht das auch mit der Macht des Rap?

Als MFG das Mikrofon ergriffen um sich ueber Befreiung, Meinungsfreiheit und ueber das, was sie als eine verabscheuenswerte Militaerdiktatur ansehen, auszulassen, machten sich viele Birmanen Gedanken ueber die Herkunft und Identitaet dieser Rapper. Beispielsweise fragten sich politische Aktivisten, ob diese jungen Kuenstler nicht aus ihren eigenen Reihen stammen wuerden.

>Wir sind keine Politker,< schreibt ein MFG Mitglied in einer Email. >Aber wir moechten, das die zukuenftige Generation weiss, dass unser Mutterland leidet. Wir muessen sie mit unseren Songs wachruetteln.< Die Band arbeitet vom Ausland aus und erschafft als virtuelle Gruppe alle Werke im Verborgenen. Angefangen hatte alles mit sechs engen Freunden im Alter zwischen 20 und 30. Mittlerweile ist daraus ein weltweites Netzwerk zum Austausch von Ideen, Texten und Computerprogrammen geworden. Auf der Webseite gibt es viele Downloads, darunter eine Reihe politischer HipHop Songs von MFG. Der Song >Spirit< zum Beispiel verbindet bissige politische Kommentare mit Samples aus Reden von Birmas Unabhaengigkeitsheld Aung San. >Fuer birmanische Jugendliche sind MFGs Songs bahnbrechend,< meint der 30aejhrige Peter Aung. HipHop entdeckte er, als er durch einen Job nach Singapur kam. Er war davon so angefixt, dass er nach seiner Rueckkehr nach Rangun, nur noch Songs von Birmas Rap-Pionier Myo Kyawt Myaing hoerte. Myo Kyawt Myaing brachte nach einem Tontechnikstudium in Singapur HipHop in sein Heimatland. Sein bekanntes Debut-Album >A-Pine-A-Sa-1.5< [Fragment 1.5] featurte Beitraege von anderen beruehmten Popsaengern. >Bevor es Rap gab, hatten wir nur imitierten Pop oder harten Rock,< erzaehlt Peter Aung. >Das hat in mir gar nichts ausgeloest, HipHop dagegen schon.< Die Anziehungskraft des HipHop ist allerdings beschraenkt. Yan Naing Win, Musikkritiker und politischer Gefangener, der zur Zeit in Thailand lebt, meint: >Rapper repraesentieren nicht den Geschmack aller jungen Birmanen. Vielleicht handelt es sich dabei nur um einen Trend fuer reiche Kids.< Da ist was dran, denn die Reichen koennen sich HipHop CDs kaufen, per Satellit MTV sehen und zu Konzerten gehen, waehrend die meisten Jugendlichen nur ums Ueberleben kaempfen. Ein Verkaeufer in Rangun verdient zum Beispiel 8.000-10.000 Kyat [8-10 USD] im Monat. Der Eintritt fuer ein Konzert kostet 3.000 Kyat, bzw. 30 Prozent seines Gehalts. Auf jeden Fall ist HipHop fuer viele Birmanen einfach zu fremd. Und zwar nicht nur die Musik, sondern auch die dazugehoerige Mode, wie Nike Airs, Yankee Baseball Caps, weite T-Shirts und Hosen erzeugen Bestuerzung. In seinem Beitrag >A New Stream of Modern Music< geht der einflussreiche Autor und Kunstkritiker Thit Sar Ni aber davon aus, dass die Jugendlichen in Birma niemals zoegern wuerden, wenn es darum ginge einen neuen Trend zu wuerdigen. Die Mitglieder von MFG sind der Meinung, das HipHop eine universelle Anziehung haben kann. >Das ist nicht nur fuer einen Haufen reicher Kinder. Immer mehr Leute werden mit HipHop Beats vertraut.< Einige vergleichen Rap mit Thangyat, die erste Form birmanischer Volkskunst. Normalerweise amuesant und satirisch, verbindet Thangyat Poesie, Tanz und Musik. Gesungen wird dabei zu einer traditionellen Trommel bei festlichen Anlaessen. Waehrend des birmanischen Wasserfest zu Neujahr war es ueblich, dass junge Menschen oeffentlich die humorvollen Thangyat Texte vortrugen, die unzensiert alles von Politik bis zum sozialen Verhalten kritisierten. Die Generaele haben das alles geaendert. 1989, ein Jahr nachdem sie die Macht uebernommen hatten, verloren sie ihren Sinn fuer Humor. Trotz ihrer lobenswerten Unterstuetzung der birmanischen Tradition, verhaftete sie viele Thangyat-Gruppenmitgleider, die an einem Wettbewerb der oppositionellen Partei, >National League for Democracy<, teilgenommen hatten Weiter reicht der Einfluss von Thangyat nicht. Die meisten birmanischen Rap- und HipHop Kuenstler haben den Stil von Amerikanern, wie Dr. Dre und Eminem bis zu modernen Rockern wie Linkin Park und Limp Bizkit, angenommen. Wichtig fuer den Rap-Ausbruch in Birma ist, dass die Kuenstler ihre Umwelt nur unter der strengen Kontrolle der Zensur einfangen koennen. Zensiert oder unzensiert, die Gefuehle eines echten Kuenstlers sind nicht verhandelbar. Zum Beispiel die Texte aus dem Song >I’m Starving< von Rapper Myay-pe-yo: >I”ve been starving since early morning/ Till the night comes/ I”m starving and feeling stomach pains/ A gastric ulcer is forming/ I”m looking here and there/ with this empty stomach…< Kritiker sind sich einig, das heftige Kontrolle die Kreativitaet von Musikern und Kuenstlern foerdert. Wie die demokratische Fuehrerin Aung San Suu Kyi in einem Booklet schrieb: >Kuenstler, die in einer geschlossenen Gesellschaft nicht die Moeglichkeit haben sich frei auszudruecken, fordern das unterdrueckende Regime intellektuell heraus.< MFG meinen, das Musik dem Publikum Staerke, Vergnuegen und Antworten auf die Fragen des Lebens gibt. >Musik hat eine grosse Bedeutung in unserm Leben,< sagt die Band. >Wie Aung San Suu Kyi erwaehnt hat, ist ein guter Befreiungssong so viel wert wie hundert lange Reden.< Allerdings bleibt die Frage, wie man den Zensurapparat des Regimes umschifft und die Songs an das Publikum bringt. Fuer MFG gibt es kein besseres Medium als das Internet, um Musik zu [ver]teilen. Natuerlich ist der Band klar, dass in Birma nur sehr wenige Menschen Zugang zum Internet haben. Bis sich das aendert, vertrauen sie auf herkoemmlichere Medien, wie auslaendische Radiosender und geschmuggelte CDs und Mini-Discs. Ein Mitglied von MFG meint, dass selbst wenn das Militaerregime weiterhin an der Macht bliebe, sie niemals die Macht der Musik im Zaum halten koennten. >Musik hat keine Grenzen, Waffen schon.<

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