Mach dein eigenes Netzwerk

Erst gegen Ende meiner Schulzeit begann ich, mich fuer aktuelle Informationen aus Politik, Gesellschaft und Kultur zu interessieren. Musik hoerte ich im Radio, Nachrichten sah ich im Fernsehen. Einen noch sehr vagen Kontakt zum entstehenden Internet bekam ich im Alter von etwa 16 Jahren.

Ein Schulfreund erzaehlte mir begeistert davon, dass man Computer ueber ein spezielles Telefon-Geraet miteinander verbinden koenne. Die Computer sollten dann ueber Pieptoene Daten austauschen. So ganz ernst nahm ich diese Schilderungen nicht. Und vor allem stellte ich mir die Frage: wozu soll das gut sein?

Computer kannte ich nur als Spielmaschinen bzw. als sehr teure Kisten, an denen sich mathematisch ambitionierte Mitschueler in freiwilligen Arbeitsgemeinschaften verausgabten. Ansonsten waren mir schon Grossrechner in EDV-Abteilungen verschiedener Firmen begegnet. Da gab es hallenartige Raeume, in denen es schlecht roch und wo riesige Magnetspulen hinter Glaswaenden hingen. Eine gedankliche Verbindung zwischen diesen Schraenken, dem Telefonzusatzgeraet und Informations-Netzwerken ergab sich damals weder fuer mich noch fuer sonst jemanden, den ich kannte.

Im Studium waehrend der 90er Jahre vermied ich den Kontakt zur IT so gut es ging. Die ersten unvermeidbaren Beruehrungen mit Computern hatte noch nichts mit Netzwerken zu tun. Als ich mich fuer ein knappes Jahr als Gaststudent in der Ukraine aufhielt, war E-Mail der einzig zuverlaessige Weg, um Freunde in Deutschland zu erreichen. Nach meiner Rueckkehr interessierte ich mich dann auch fuer die anderen Internet-Dienste. Unter dem Einfluss eines Altphilologen an der Uni Trier, Dr. Michael Trauth, geriet ich auf die Bahn des HTML-Coders.

Neben meiner heutigen Taetigkeit als Webmaster und CMS-Konzeptionist engagiere ich mich in der Erwachsenenbildung. Viele meiner >Schueler< haben Kinder, die eine hoehere technische Sachkompetenz haben als ihre Eltern - wie diese mir erzaehlen. Aber das Nutzerverhalten und die Erwartungen der Kinder sind so gut wie nie Thema. Normalerweise bringen die Kursteilnehmer ihre Sproesslinge nicht mit in den Unterricht - sonst koennte ich Jugendliche sicher oefter nach ihren eigenen Einschaetzungen fragen. Ich halte Online-Formate fuer sinnvoll, bei denen das Publikum dazu ermutigt wird, eigene Recherchen und Ueberlegungen ueber die naehere Umgebung anzustellen. Mit >Umgebung< meine ich dabei nicht notwendigerweise das geographische Umfeld. Projekte wie http://www.kinderstrasse.com, bei denen Kinder einen schaerferen Blick fuer den Alltag entwickeln koennen, sind ein schoenes Format. Fuer die Zielgruppe der 16- bis 25-jaehrigen sind meiner Meinung nach keine speziellen Formate mehr noetig, ausgenommen selbstproduzierte Projekte. Durch meine eigene Ausbildung und mediale Praegung gefaellt es mir ueberhaupt nicht, wenn Online-Formate als Schaubuehne fuer fremde und nicht als solche gekennzeichnete Inhalte herhalten muessen. Grossen Video-Portalen wie Youtube, Clipfish und MyVideo stehe ich skeptisch gegenueber. Bis 2008 gab es das Berliner Video-Projekt WatchBerlin, das ich regelmaessig besuchte. Fuer meine Begriffe war das Format ideal fuer medial Kreative unabhaengig vom Alter. Allgemein jugendgerecht sind meiner Meinung nach Formate, die keine Altersgruppe ausschliessen. Statt von Firmen und Agenturen vorgefertigt angebotene Community-Formate wie Facebook, StudiVZ und Co zu nutzen, sollten Jugendliche eigene Netzwerke aufbauen, in denen sie selbst die Themen und Modalitaeten festlegen. Und anschliessend duerften sich die >Gruender< die selbstgemachte Butter nicht so schnell vom Brot nehmen lassen. Die flaechendeckenden Online-Communities vermitteln bloss den falschen Eindruck, global eingebunden und akzeptiert zu sein. Tatsaechlich duerften die meisten Facebook-Freunde einander aber immer fremd bleiben. Die Online-Vernetzung sollte staerker darauf abzielen, Begegnungen im >real life< zu ermoeglichen. [Die Redaktion der Berliner Gazette fuehrt im Rahmen des Crashkurses Online-Medien eine Umfrage unter Online-Experten durch und laesst diese ueber ihre persoenlichen Erfahrungen mit Medien sprechen.]

[Anm. d. Red.: Der Verfasser des Textes ist Webmaster, CMS-Konzeptionist und Dozent an der Journalistenakademie.]

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