Londoner Klubs

Grossbritannien hatte immer eine Vorliebe fuer Klassensysteme. Wie alle unantastbaren Vorstellungen, brauchen solche Systeme aktuelle Manifestationen, um realisiert und verewigt zu werden. Die Clubs sind so eine einmalige, haeufig vergeblich kopierte Londoner Manifestation. Sie sind die Image-Maker der Upper-Class. Dabei gibt es zwei Kategorien von Club, die aelteren, mehr traditionellen Gentlemens Clubs und ein neuerlich auftretendes funkiges Phaenomen, das sich als Private Members Clubs bezeichnen liesse.

Die traditionellen Clubs hatten ihre Hoch-Zeiten im spaeten 18. und fruehen 19. Jahrhundert, als sie sich als Spielplaetze fuer junge, reiche, ausschliesslich maennliche Aristokraten, Politiker und Angehoerige der intellektuellen Elite etablierten. Als Anachronismus bestehen sie bis heute. Nur dass sie nun vor allem die alte Garde bedienen. In palastartigen Club-Haeusern gelegen, kommem sie als luxurioese Gebaeudekomplexe daher: Mit Marmortreppen, Schlafzimmern, Bibliotheken, Restaurants, Bars, Baedern und voller Kunst. In den Augen der Nicht-Mitglieder gibt es hier nur Hochkultur, gepraegt durch erhabene Gespraeche bei der Einnahme feinster Speisen oder nicht enden wollenden Zigarrenkonsums im Raucherzimmer. Wie die oeffentlichen Schulen und Oxbridge [diese anderen Bastionen des Klassensystems und der Naehrboeden fuer neue Mitglieder], sind die Clubs von merkwuerdigen Regeln und Traditionen gepraegt, die dazu beitragen, ihre
Mystik zu steigern und den Spalt zwischen ihnen und der allgemeinen Bevoelkerung zu vergroessern. Es muessen grundsaetzlich immer Schlipse getragen werden und Mitglied wird man nur durch ein komplexes System von schwarzen und weissen Baellen und einem geheimen >hoelzernen Apparat<. Margaret Thatcher musste erstmal ein >honorary man< werden, um dem Carlton Club beitreten zu duerfen. Und im Pratt Club werden alle Kellner goennerhaft George genannt, um es den betrunkenen Mitgliedern, die angeblich die Sahne des Britischen sind, leichter zu machen. Die Private Members Clubs sind im Grunde lediglich modernisierte Weiterfuehrungen der Ideologie der Gentlemen´s Clubs. Der Einfluss der Aristokratie ist hier zwar weitestgehend verschwunden, aber anstatt ein egalitaeres Spielfeld zu hinterlassen, werden die Clubs nun von einer jungen, unisexen, dynamischen >artocracy< regiert: von all jenen, die sich fuer zu hip und aufgeklaert fuer die Gentlemens Clubs hielten, aber trotzdem einen Ort brauchten, um sich abzugrenzen. So wurden die Private Members Clubs geboren. Der beruehmteste ist vermutlich Groucho. >Der beste Club der Welt<, wie Alex James von Blur ihn nennt. Paradox ist dabei das Understatement des >non-clubby< Clubs. Ein Prinzip, das sich z. B. darin widerspiegelt, dass der Groucho Club nach Groucho Marx und seiner beruehmten Behauptung: >Ich moechte zu keinem Club gehoeren, der mich als Mitglied akzeptiert.< benannt ist. Groucho gilt wie viele andere Clubs im vibrierenden Medienviertel Soho, als ein Kontrast zu den Gentelmens Clubs. Hier ruehmt man sich mit bohemen Ausschweifungen, etwa mit entfesselten kuenstlerischen Genies, die a la Damien Hirst, ihren Schwanz allzu oft aus der Hose holen. Diese Clubs weisen nicht das opulente, wenn auch muffige Setting der Gentelmens Clubs vor. Der Colony Club etwa [die Heimat der gesamten Sensation!-YBAs-Clique], befindet sich in einem winzigen Raum, den man nur ueber eine schaebige Treppe erreicht und der nicht mit viel mehr als einem schrottigen Klavier und Sofas voller Zigarettenbrandloechern ausgestattet ist. So sehr sich die Private Members Clubs von den Gentlemens Clubs unterscheiden moegen - der Ansatz der beiden Clubtypen ist im Grunde derselbe. Beide sind von der Idee der Exklusivitaet besessen und beide sorgen dafuer, dass die, die rein duerfen, sich als etwas Besseres vorkommen und die, die draussen bleiben muessen, vor Ehrfurcht erstarren. Die Tueren sind in beiden Faellen im Grunde undurchlaessig, es sei denn man wird Mitglied: Ein langer Weg der Vetternwirtschaft, der noch dazu extrem kostspielig ist und einem keineswegs die volle Vergoetterung garantiert. Dabei nimmt man es mit Exklusivitaet so ernst, dass es selbst innerhalb der Club-Landschaft Hierarchien gibt. Es reicht nicht Culb-Mitglied zu sein, es muss auch der richtige Club sein. Der Groucho-Clan spricht herablassend von der Soho House-Truppe nach dem Motto: >Wer moechte schon mit diesen abstinenten dot.com-twenty-somethings was zu tun haben, die nur Sklaven ihrer Arbeitsethik sind.< Darueberhinaus gibt es auch innerhalb der Clubs Hierarchien. Im Groucho gibt es Raeume, die nur von denen betreten werden duerfen, die vom Status einer Kylie Minogue nicht nachstehen. Im Gentlemens Club In and Out gibt es dagegen einen Club im Club, mit einem ausgestopften Bock als sehr suspektes Mitglied. Aber was die beiden Club-Typen auch noch gemeinsam haben, ist, dass -nachdem man sich den Weg durch die heiligen Portale gebahnt hat die Enttaeuschung auf dem Fusse folgt. Was man vorher hoerte, ist nur zum Teil wahr. Obgleich die meisten Clubs ein paar beruehmte Mitglieder aufweisen, die tatsaechlich erhaben sind, flacht das magische und mythische, das fuer die Clubs so wichtig ist, schnell ab. Hinter den Tueren des Gentlemens Club befindet sich in Wahrheit nicht der Himmel der Zivilisation mit vermeintlich hochtrabenden Diskussionen, sondern eher eine Gruppe ausgetrockneter, vom Sherry geplagter alter Maenner, die zusammenhangslos vor sich hin schnattern. Und die Private Members Clubs sind oft nur Treffpunkte fuer kokaingeadelte Soap-Stars und Friseure von Beruehmtheiten, die sich dort feiern lassen. So foerdern die Werkzeuge, die das Klassensystem aktualisieren sollen, letztlich die Illusion und Unwahrheit dieses Konzepts zu Tage. Man glaubt, dass die Clubs und in der Erweiterung ihre Mitglieder, etwas Besonderes sein muessten, nur weil einem der Blick ins Innere verwehrt bleibt. Man moechte hineingehen, nur weil man dort nicht rein darf. Oder vielleicht ist es auch nur, weil es in London sehr wenige andere Orte gibt, wo man auch nach 23 Uhr noch einen angenehmen Drink zu sich nehmen kann - jedenfalls dient das als meine Rechtfertigung dafuer, dass ich die Club-Einladungen noch immer so ueberaus willig entgegen nehme!

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