Lesejunkie

Lesen und Schreiben lernen war fuer mich das groesste Ereignis meiner Kindheit. Nicht, dass ich der fleissigste Schueler war und mich anstrengte, um meine schulischen Pflichten im Sinne der Lehrerauftraege zu erfuellen, im Gegenteil. Mit dem Erlernen dieser Faehig- und Fertigkeiten erschloss sich mir erst muehselig, dann jedoch die Bedeutung erkennend, immer schneller jene andere Welt, die ausserhalb der alltaeglichen Kleinlichkeiten lag. Wenn ich heute einem Jugendlichen erzaehle, dass meine erste Lesekarte, das erste ausgeliehene Buch in der Stadtbuecherei einem Initiationsritus gleichkam, scheint der sich kringeln zu muessen.

Wenn er mich dann dazu grinsen sieht, kommt zumeist ein: >Nicht wirklich, oder?< Ich habe damals angefangen Texte und Buecher zu verschlingen, um in eine neue Welt, meine neue Welt einzutauchen. In dieser Welt war ich nie allein. Dort waren meine Helden, denen ich - wenn ich es genau bedenke - die alle mir aehnlich sahen. Dort gab es nur meine Bilder. Zeit schien nur draussen, ausserhalb dieser phantastischen Welt, von Bedeutung zu sein. Daran wurde ich immer wieder dann erinnert, wenn wie aus weiter Ferne Rufe an mein Ohr drangen, wie: >Hast du deine Hausaufgaben gemacht…?< oder Aehnliches. Was war mir das alles da draussen laestig. Auf der einen Seite lernte ich freiwillig mehr als gefordert, da es aber nicht den geforderten Normen entsprach war man sich in der Welt da draussen bald einig, dass ich schulisch gesehen ein fauler Hund sei. War das fuer mich von Bedeutung? Nicht wirklich, oder!? Meine Schulzeit habe ich irgendwann mit Ach und Krach geschafft und wurde nach vielen Umwegen ... Lehrer. Die Lesesucht ist mir geblieben. Die Freude, die Welt der Phantasie meinen Schuelern zu erschliessen, ist dazugekommen.

2 Kommentare zu “Lesejunkie

  1. viele Wege fuehren zum Lehrer-Dasein, irgendwie schrecklich, was man frueher nie mochte und jetzt irgendwie selbst ist: wie mit den eltern und dem spiesser-tum…

  2. Eine wahre Lebenskunst ist es, sturköpfig zu sein, selbst zu entscheiden, was wichtig ist, seinen eigenen Interessen nachzugehen und sich trotzdem irgendwie einordnen zu können – Glückwunsch!

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