Leben mit Spreeblick

Ich tue, was ich fuer richtig halte. Das kann gar nicht fuer eine heterogene Masse wie die der Blogger Gueltigkeit haben. Ich freue mich, wenn meine Gedanken oder Meinungen Zuspruch finden, aber ich lebe ebenso mit Widerspruch und anderen Meinungen, was auch gut ist.

Die Aussenwahrnehmung meiner Person bleibt fuer immer ein Raetsel und ich versuche, mir darueber so wenig Gedanken wie moeglich zu machen. Es gibt Leute, die von mir enttaeuscht sind, wenn ich nach drei Artikeln, die ihnen >aus der Seele< gesprochen haben, im vierten ploetzlich eine Meinung habe, die sie nicht teilen koennen. Doch das kann und will ich nicht aendern und letztendlich sind mir auch die Leser am sympathischsten, die zwar das von mir gegruendete Blog >Spreeblick< gerne lesen, aber zu jedem Thema ihre eigene Meinung haben und diese mit uns und den anderen Lesern diskutieren moegen. Das Netz gibt mir viel, daher gebe ich mit Spreeblick etwas zurueck, so soll das sein. Das Netz ist ein multidirektionales Medium und anders als beim Fernsehen oder Radio wuerde es einfach nicht funktionieren, wenn alle nur passiv konsumieren. Das Netz, wie wir es kennen und lieben, wurde von Menschen mit Inhalten gefuellt, nicht von Unternehmen. Geschwindigkeit verliert an Wichtigkeit, je aelter man wird. Ein Artikel, der eine Woche nach einem Event Stellung bezieht, ist oftmals besser als der Schnellschuss. Denn man hatte Zeit zu reflektieren. Die Themen bei Spreeblick, sofern sie von mir oder Tanja Kreitschmann, meiner Frau, kommen, spiegeln schon zu einem recht grossen Teil das wider, was uns als Privatpersonen bewegt, gefaellt, missfaellt, beruehrt. Das ist gleichzeitig ein >Problem< fuer viele neue Leser: Man kann uns nicht kategorisieren, manchmal erscheinen wir geradezu willkuerlich; wir sind eine Art >Mikrokosmos-Feuilleton<. Politische Inhalte spielen dabei immer wieder eine Rolle, denn wir sind politische Menschen, Politik bestimmt unser Leben, also haben wir dazu einen Standpunkt. Tatsaechlich ist dies einer der Punkte, in denen ich Blogs eine durchaus revolutionaere Kraft zuspreche. Die Moeglichkeit, die eigene Stimme nicht mehr nur an der Wahlurne oder mit Flugzetteln zu erheben, wird in den kommenden Jahren noch fuer sehr spannende Entwicklungen sorgen, da bin ich sehr sicher. Die Professionalisierung der kleinen Projekte in der Blogosphaere halte ich fuer notwendig und gut, solange der Prozess ein transparenter ist und die Beteiligten sich der Verantwortung bewusst sind. Ich glaube, dass die Masse der Blogs immer unkommerziell bleiben wird und da es jedem moeglich ist, innerhalb von zehn Minuten ein eigenes Blog zu eroeffnen, mache ich mir keine Sorgen darueber, dass kommerzielle Blogs das Gesamtbild verzerren koennten, es wird immer die Gegenoeffentlichkeit geben. Es gibt, anders als bei den klassischen Publikationsformen, keine Produktionshoheit mehr und das ist gut so. Ich begruesse und unterstuetze es dennoch aktiv, dass die wenigen Blogs, die aufgrund des starken Arbeitsaufwands, der mit hoeheren Nutzerzahlen verbunden ist, eine Chance haben, sich zu refinanzieren, denn ansonsten muessten privat initiierte Blogs fuer immer ein Hobby sein, das sich hauptsaechlich Studenten und Beamte leisten koennen. Das Tempo im Netz fuer einen Segen zu halten, empfinde ich oft genug als Trugschluss. Manchmal ist es frustrierend, wenn wichtige Themen wie Abmahnwellen oder Urheberrechtsproblematiken, die im Netz seit vielen Jahren diskutiert werden, erst Jahre spaeter in der Politik ankommen. Aber die Erde dreht sich wegen dem Internet halt nicht schneller. Im Uebrigen halte ich das Leben im Netz fuer ebenso real wie das auf der Wiese, es hat eben andere Regeln, Begebenheiten und Umgebungen. Das ist keine Wertung, jede Welt hat ihre Vor- und Nachteile, aber wenn ich mit meinen Jungs mit LEGO-Bausteinen baue, macht das mindestens genauso viel Spass wie ein Computerspiel. Derzeit hat sich PHP in Zusammenarbeit mit einer MySQL-Datenbank fuer viele Open-Source-Applikationen etabliert, aber RubyOnRails ist stark im Kommen und natuerlich setzen wir uns damit auseinander. Auch das >semantische Web< wird spannende Entwicklungen vorantreiben, das Netz steht halt nie still, aber das tut das Leben ja auch nie. Panik oder Hektik ist jedoch nicht angebracht und inzwischen finden wir es sogar ueberhaupt nicht mehr schlimm, wenn eine Website mal eine Stunden lang offline ist, weil etwas schiefgelaufen ist. Es gibt Schlimmeres, Zahnschmerzen zum Beispiel. Ich glaube, die Arbeit am Internet haelt jung, da der Kopf dauernd bewegt wird, aber ich denke dennoch darueber nach, wie man den Kommunikationsterror einschraenken kann. Es ist nicht die Geschwindigkeit, sondern die pure Menge der Kommunikation. Ich fuehle mich manchmal wie jemand, der auf einem Marktplatz auf einer Kiste steht und fuer jeden ansprechbar ist: Es kommen Leute vorbei, die nur nett mit einem reden wollen, Maskierte, die einem ins Gesicht schlagen und einfach wieder verschwinden, fahrende Haendler, die etwas verkaufen wollen und sich nicht abwimmeln lassen und zwischendurch springen lustige Comicfiguren und nackte Frauen durch diese Masse und bruellen irgendetwas. Man muss sich also zu selektiver Wahrnehmung und Ansprechbarkeit zwingen, um noch genug Zeit und Luft zu haben, um ueber das, was man tut, nachdenken zu koennen.

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