Laute Worte

Als der Schweizer Autor und Sprachspieler Beat Gloor sein Staatsexamen schrieb, stellte er sich einen bestimmten Wortklang vor. Ein Gefuege aus Satzrhythmen und Silbentonhoehen tanzte vor seinen inneren Ohren. Als wir gemeinsam mit vier Sprechern eine Hoerbuchadaption aus seinem Buch aufnahmen, veraenderten sich fuer Beat Gloor die Texte, denen nun neue Stimmen Klanggestalt und Timing verliehen. Es waren immer noch seine Satzkinder, nur lebten sie fortan ihr eigenes Leben in den Mundhoehlen der Sprecher. In der Hoerbuchkultur kommt Literatur den Lesern wieder im Fluss entgegen.

Geschriebene Sprache ist immer noch visuell, vielleicht etwas kuehler. Gesprochene dagegen ist emotionaler, gefuehlsbetonter und der Musik viel naeher. Die Erfahrung ist Geschmacksache und haengt auch vom Wortmaterial ab. Manche Texte wollen lieber in der Augenlounge eines Lesers empfangen werden. Andere dagegen ziehen dem Wortlaut laute Worte vor, in der Text und Klang gemeinsam und aus ihrem Zusammenspiel heraus die Bedeutung vermitteln. >Wenn ein Schriftsteller einen Text schreibt, schreibt er eigentlich viele Texte< sagt Beat Gloor und vergleicht die Arbeit im Studio mit der eines Musikers. Denn aus der Partitur [Buch] wird eine Interpretation [Hoerbuch]. In der Adaption empfindet er den >Zwang, aus den vielen Moeglichkeiten, die das Buch bietet, sich fuer eine Tonlage, eine Satzmelodie, eine Stimmung zu entscheiden.< Und nur eine wird aufgenommen. Die kann aber wiederum viele Gedankenbilder beim Hoeren erzeugen, sogar ganz andere als beim stillen Lesen. Gedankenbilder sind immer auch Sprachbilder. Daher kommen sich durch den Klang der Worte in der musikalischen Interpretation einer Text-Partitur Text, Bild und Musik naeher. Besonders wenn die Hoertexte von Sprache an sich handeln und ihre Bildlichkeit musikalisch transportieren. Das Staatsexamen-Hoerbuch handelt von Sprache und dieser Synaesthesie. PS: einige Hoerproben gibt es hier.

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